25.08.2015, 11:28 Uhr

Studie entlarvt massiven Betrug mit Klimaschutz-Zertifikaten

Münster – Die im Rahmen des Klimaschutz-Protokolls von Kyoto von 1997 installierten Klimaschutz-Mechanismen wie Clean Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI), sollten eine Option darstellen, um auch Klimaschutz-Projekte in Dritt-Staaten in den Emissionshandel einzubeziehen. Doch leider wurde dieses System von einigen Akteuren untergraben, um Profite zu erzielen, teilweise in freundlicher Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort.

Dies zeigt nun eine Studie des Stockholm Environment Institute (SEI), in der nach dem Zufallsprinzip 60 JI-Projekte untersucht wurden. In fast drei Viertel der Fälle war eine wichtige Voraussetzung für die Anerkennung der Projekte, nämlich die Zusätzlichkeit, nicht plausibel. Es zeigt sich, dass russische Firmen ihre Treibhausgas-Emissionen zunächst künstlich in die Höhe getrieben haben, um im Anschluss an den enormen Emissions-Einsparungen zu verdienen. Auch in der Ukraine wurde das System ausgenutzt.

Zusätzlichkeit bei drei von vier JI-Klimaprojekten fraglich

Bei den JI-Projekten zum Klimaschutz geht es darum, dass ein Industrie-Staat durch Umsetzung emissionsmindernder Maßnahmen in einem anderen Industrie-Staat zusätzliche Emissionsrechte für seine heimischen Schadstoffproduzenten erwerben kann. Besonders beliebt waren in diesem Zusammenhang Projekte in den osteuropäischen Staaten wie Russland oder der Ukraine. Doch dabei ging offenbar nicht alles mit rechten Dingen zu. Wie das SEI nun erklärt, seien in 73 Prozent der untersuchten JI-Projekte die Zusätzlichkeit nicht plausibel. Mit anderen Worten: Diese Projekte wären auch ohne die Erlöse durch die Emissions-Zertifikate realisiert worden. Im Gegensatz zu den JI-Projekten mit Fokus auf andere Industrie-Staaten zielen CDM-Projekte auf Klimaschutz-Maßnahmen in Entwicklungsländern ab.

Russischer Kunstsoff-Hersteller stößt absichtlich mehr Treibhausgase aus

Besonders schwer wiegen die Fälle, die bespielhaft für den Missbrauch der Kyoto-Mechanismen dargelegt werden. Demnach hat der russische Kunststoffhersteller Halo Polymer seine Emissionen der Treibhausgase (eine Fluoroform-Spezifikation und Schwefelhexafluorid) in einer Fabrik in Perm innerhalb eines Jahres in die Höhe getrieben. Die zusätzlichen Gase, eigentlich Abfallprodukte der Kunststoffherstellung, sind aber nicht angefallen, weil mehr Kunststoff produziert wurde. Nach Ansicht der Studienautoren seien sie vielmehr durch eine bewusst ineffiziente Betriebsweise entstanden. Bei der anschließenden „Vermeidung“ dieser Gase konnten die entsprechenden Zertifikate generiert werden, die dann vor allem in der EU verkauft wurden. Indizien dafür sind auch im Geschäftsbericht von Halo Polymer zu finden. 40 Prozent der Umsätze 2012 seien nicht durch die Kunstsoff-Herstellung, sondern durch diese Abfallprodukte erzielt worden. Die russischen Behörden hätten dabei die Augen fest zugedrückt.

Auffällig viel Kohle von ukrainischen Abraumhalden

Etwas anders gelagert ist das Beispiel Ukraine. Hier geht es um Klimaschutz auf der Abraumhalde. Im Abraum ostukrainischer Kohleminen ist immer auch ein gewisser Rest Kohle enthalten. Diese Kohle könnte, falls sie in Brand gerät, für zusäzliches Kohlendioxid sorgen. 68 solcher Abraum-Projekte gibt es in der Ukraine. Diese sparen angeblich 219 Millionen Tonnen Kohlendioxid ein. Das wäre genug, um alle deutschen Braunkohlekraftwerke für ein Jahr mit Klimazertifikaten zu versorgen. Allerdings entspricht die Summe aller Annahmen in den 68 ukrainischen Abraumprojekten, dann müsste knapp ein Drittel aller Kohle dort aus solchen Abraumhalden stammen. Aus Sicht des SEI ein höchst unrealistischen Szenario.

Die Studienautoren pochen darauf, dass gegen derartigen Missbrauch bei der weiteren Ausgestaltung der Regeln zum globalen Klimaschutz zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. So sollten internationale Buchungsregeln für Emissionszertifikate festgelegt werden. Eine stabile Aufsicht bei internationalen Transfers von Emissionsberechtigungen müsse zudem sichergestellt werden, so die Forderung.

Quelle: IWR Online

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