17.08.2012, 13:17 Uhr

Streit um Niebels E10 Debatte

Berlin/Münster – Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) fordert in einem Interview mit dem Nachrichtensender n-tv das Ende des Benzin-Kraftstoffs E10. Dieser Kraftstoff wurde ab 2011 in Deutschland eingeführt und enthält eine Bioethanol-Beimischung von bis zu zehn Prozent. Nach Ansicht von Niebel trage Biosprit angesichts steigender Agrarpreise und Ernteausfälle aufgrund von Dürren zu verstärktem Hunger in der Welt bei. Deshalb solle man E10 aussetzen, so die Forderung des FDP-Politikers. In der Bundesregierung ist der Vorstoß nicht abgesprochen und so gibt es einen weiteren Koalitions-Streitpunkt.

Getreideernte: Dürren in den USA, Russland und Indien - höhere Produktion in Deutschland

Extreme Wetter treten in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger auf. In diesem Jahr haben Dürren zu Ernteausfällen in wichtigen Regionen der Erde geführt, so in den USA, aber auch in Russland, Indien und Kasachstan. Viele dieser Regionen und Länder zählen zu den wichtigsten Getreide-Exportnationen der Welt. Beim Weizen geht der International Grains Council (IGC) davon aus, dass die weltweite Produktion gegenüber dem Vorjahr um 4,5 Prozent auf 665 Mio. Tonnen sinken wird. Beim Mais wird ein globaler Produktionsrückgang um knapp ein Prozent erwartet. Allerdings lag die IGC-Prognose für die gesamte globale Ernte von Anfang Juli noch bei 917 Mio. Tonnen und wurde zum Ende des Monats um fast sechs Prozent auf 864 Mio. Tonnen reduziert.

In Deutschland sieht die Situation deutlich besser aus. Jetzt, wo die Weizenernte kurz vor dem Abschluss steht, rechnet der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) mit einer gesamten Getreideernte von 44 Mio. Tonnen. Damit würde das Vorjahr um rund 5,4 Prozent übertroffen werden.

Getreidepreise steigen durch Spekulationen

Die möglichen und tatsächlichen Ernteausfälle haben die Rohstoffpreise an den Weltmärkten bereits jetzt in die Höhe getrieben. So hat der Maispreis inzwischen die Höchststände aus dem Jahr 2008 übertroffen, als die Preise parallel mit dem Ölpreis kräftig gestiegen waren. Mais ist an den Rohstoffbörsen auf rund acht US-Dollar pro Scheffel geklettert. Anfang Juni waren es noch sechs US-Dollar. Die Tonne Weizen hat sich von etwa 210 Euro Anfang Juli auf rund 260 Euro verteuert. Allein die erwarteten Ernterückgängen rufen Spekulanten auf den Plan, die die Ware in Erwartung noch höherer Getreide-Verkaufspreise zurückhalten. Grundsätzlich gehen Experten aber davon aus, dass es genügend Nahrungsmittel gibt. Barbara Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, ist in einem WDR 2-Interview der Ausfassung, dass weltweit ausreichend viele Lebensmittel produziert werden können, um alle Menschen zu ernähren und ausdrücklich auch, um Bioenergie im bisherigen Maße zu erzeugen. Problematisch sei aus ihrer Sicht jedoch die globale Verteilung der Güter.

Niebels E10-Debatte: Ablenkungsmanöver von verfehlter Agrarpolitik in Entwicklungsländern?

Niebels Vorstoß für ein kurzfristiges E10-Verbot in Deutschland ist innerhalb der Bundesregierung nicht abgestimmt. Das zuständige Umweltministerium verweist darauf, dass mit E10 schließlich eine EU-Vorgabe umgesetzt werde. Niebels Vorschlag würde wohl auch ohne Effekte für die aktuelle Ernährungssituation in den Entwicklungsländern bleiben. Die Getreidepreise hängen stark von den Rohölpreisen und den weltweiten Produktionsmengen ab. Experten wie Dieckmann kritisieren vielmehr den subventionierten Export von Getreide aus den Industriestaaten in die Entwicklungsländer. Statt dessen müsse in die Landwirtschaft in den benachteiligten Regionen vor Ort investiert werden (Ziel der Eigenversorgung), was in den zurückliegenden Jahren aber versäumt worden sei. Eine Politikfeld, bei dem nicht zuletzt auch das Entwicklungsministerium gefragt ist.

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