06.02.2014, 10:02 Uhr

Seehofer spielt bei Energiewende-Problemen in Bayern auf Zeit

München – Die Pläne des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) bei der Energiewende im eigenen Bundesland stoßen vielerorts auf Kritik. Bei Industrie und Bürgern regt sich Widerstand. Währenddessen spielt Seehofer angesichts anstehender Wahlen auf Zeit.

Nicht nur die Pläne, Genehmigungsvorschriften für neue Windprojekte zu verschärfen, auch der geplante Bau einer Stromtrasse sorgt im Freistaat für Wirbel. Branchen und Verbände bekunden öffentlich ihren Unmut, Bürgerinitiativen formieren sich und setzen Seehofer unter Druck.

Nur 0,5 Prozent Bayerns noch für Windkraft geeignet

Der Windenergiebranche ist Seehofer mit seinen geplanten Änderungen tüchtig in die Parade gefahren. Künftig müssen Windkraftanlagen einen wesentlich höheren Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung einhalten, nämlich das Zehnfache der Masthöhe. Nach Angaben der Bayern-Sektion des Bundesverbands für Windenergie (BWE) sind dann nur noch 0,5 Prozent der bebaubaren Fläche in Bayern für Windkraftanlagen geeignet. Die im Energiekonzept "Energie innovativ" formulierten Ziele mit 50 % Öko-Strom bis 2021 lassen sich jetzt nicht mehr erreichen", so Günter Beermann, Landesvorsitzender des BWE Bayern, "da nur die Windenergie die entsprechenden Potenziale mitbringt."

Nachdem sich Seehofer mit seiner „Wende von der Energiewende“ keine Freunde gemacht hat, deutet er nun ein Einlenken an. Nach Angaben von „Merkur-Online“ beschloss das Kabinett unter Seehofer am Dienstag, die geplante Änderung einzuschränken. Demnach können Windprojekte, die bis zum 4. Februar bau- und emissionsrechtlich vollständig beantragt wurden, noch nach der ursprünglichen Regelung behandelt werden. Eine weitere Baustelle im wortwörtlichen Sinn ist der geplante Bau einer Hochspannungs-Stromtrasse durch Bayern.

Bürger gegen „Monsterstromtrasse“

Um den Strom von den Windkraftanlagen zu den Verbrauchern im Süden zu transportieren, planen Politik und Netzbetreiber eine Gleichstromtrasse von Osten nach Süden. Der Verlauf soll nach Angaben von Amprion von Sachsen-Anhalt über Thüringen quer durch Bayern führen. Pikant dabei: Im Gegensatz zu den Plänen für Windkraftanlagen wird kein Mindestabstand zwischen Stromtrasse und Wohnsiedlungen gefordert. Dagegen gehen betroffene Bürger auf die Barrikaden. Die Initiative „Bürger gegen Strommonstertrasse“ fordert eine dezentrale Stromversorgung aus erneuerbaren Energien. Falls eine Stromtrasse unbedingt notwendig sein sollte, soll sie zumindest in Ortsnähe unter der Erde verlegt werden.

Wie die Onlineausgabe der „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) am Mittwoch berichtete, wurde ein Schlichtungsversuch des Netzbetreibers Amprion in der vergangenen Woche von den Bürgern abgewehrt. Die Aussicht auf wütende Wähler hat Seehofer kurz vor den Kommunalwahlen im März zurückrudern lassen. Kurzerhand verlangte er von den Netzbetreibern, die Pläne für den Bau der Trasse zurückzunehmen. Erst im August, wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Neufassung des EEG vorlegen will, sollen die Planungen wieder aufgenommen werden.

Seehofer verlagert Probleme in die Zukunft

Seehofer hat nun also Bürger und EE-Branche gegen sich aufgebracht. Ob seine Strategie, sensible Themen auf die Zeit nach der Wahl zu verschieben, aufgeht, ist fraglich. Letztendlich werden hausgemachte Probleme dadurch nur in die Zukunft verlagert, keinesfalls aber gelöst. Aus den Augen, aus dem Sinn funktioniert in der politischen Realität nur selten.

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