18.08.2014, 11:21 Uhr

Belgien: Weiterer Atomreaktor fällt aus

Brüssel – Die belgische Stromwirtschaft steht derzeit unter einem schlechten Stern: Innerhalb weniger Monate ist die Hälfte der Atomstrom-Kapazitäten des Landes wegen Reaktorproblemen ausgefallen. Den neuesten Ausfall meldet der Betreiber Electrabel.

Wie Electrabel in der vergangenen Woche mitteilte, wurde bereits am 5. August der Reaktor 4 des Atomkraftwerks (AKW) Doel vom Netz genommen. Dies bedeutet den langfristigen Ausfall des dritten von insgesamt sieben Reaktoren in der belgischen Stromwirtschaft und einem erheblichen Verlust von Produktionskapazitäten.

Rund 65.000 Liter Schmieröl bringen Reaktor 4 zum Stillstand

Nördlich der Hafenstadt Antwerpen ist der dritte von insgesamt sieben Reaktoren in Belgien außerplanmäßig ausgefallen. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Electrabel seien erhebliche Schäden an einer Hochdruckturbine im Reaktor 4 des AKWs Doel festgestellt worden. Nach ersten Ergebnissen sei ein Leck in einer Ölleitung im nichtnuklearen Bereich des Reaktors für den Ausfall verantwortlich. Medienberichten zufolge seien rund 65.000 Liter Schmieröl innerhalb kürzester Zeit ausgelaufen, so dass sich die Dampfturbine überhitzt habe und automatisch heruntergefahren wurde. Fest steht bereits, dass das Kraftwerk bis zum Ende dieses Jahres nicht ohne Bedenken hochgefahren werden kann.

Mehrere Ausfälle innerhalb weniger Monate

Der Zwischenfall am Reaktor 4 ist nicht der erste Ausfall in diesem Jahr: Bereits im März ließ die Agentur für Nuklearkontrolle FANC zwei weitere Reaktoren abschalten. Wegen Schäden musste Reaktor 3 des Kraftwerks Doel und Reaktor 2 des zweiten belgischen Atomkraftwerks in Tihange bei Lüttich dauerhaft heruntergefahren werden. Aufgrund von Haarrissen in der Reaktorhülle hatte der Betreiber Electrabel mit der FANC zusätzliche Tests an beiden Pannenreaktoren vereinbart. Die Ergebnisse eines dieser Tests waren nicht zufriedenstellend und haben dazu geführt, dass die Kraftwerks-Blöcke erneut abgeschaltet worden sind. Die Reaktoren können nicht vor Herbst in Betrieb genommen werden.

Veralteter AKW-Park in Belgien macht zunehmend Sorgen

Durch den Ausfall fehlen dem Land nun 3.000 von ursprünglich 5.500 Megawatt (MW) Produktionskapazität aus Atomkraft, denn Belgien bezieht mehr als die Hälfte seines Stroms aus Kernenergie. Insgesamt sieben Atommeiler sorgen in Belgien derzeit für die Stromversorgung. Allerdings bereitet der veraltete AKW-Park zunehmend Probleme: Die Kernkraftwerke Tihange 2 südwestlich von Lüttich und Doel 3 nördlich von Antwerpen laufen seit über 30 Jahren. Damit gehören sie aber noch zu den jüngeren belgischen AKWs. Der älteste Atomreaktor in Belgien stammt aus dem Jahr 1974 und kann im August bereits sein 40-jähriges Dienstjubiläum feiern. Ein denkwürdiges Datum: Für die Lauf- bzw. Betriebszeit von 40 Jahren sind Kernkraftwerke technisch eigentlich nur ausgelegt.

Marode AKW müssen vorerst am Netz bleiben

Belgien will langfristig aus der Kernenergie aussteigen. Die Reaktoren sollen zwischen 2015 und 2025 abgeschaltet werden. Der schon 2003 vereinbarte damals visionäre, aber politisch unsichere Ausstieg aus der Kernenergie wurde 2012 durch die damals neue Regierung Elio Di Rupo überraschend bestätigt. Doch die Regierung hat eine Laufzeiterhöhung für einige Reaktorblöcke beschlossen. Ausgelöst wurde dies durch befürchtete Blackouts sowie durch die Kostensteigerungen u.a. bei der fossilen Stromerzeugung.

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