Wie lange kommt Deutschland ohne Russland-Gas aus?
Köln – Die aktuellsten Nachrichten zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sorgen für ein wenig Entspannung: Möglicherweise könnte es vorerst zu einer Waffernruhe in der Ost-Ukraine kommen. Ungeachtet dessen machen sich viele Europäer auch Sorgen über die zukünftige Versorgungslage mit russischem. Das Energiewirtschaftliches Institut der Uni Köln (EWI) hat die Folgen für Deutschland genauer analysiert.
In Deutschland könnte es demnach im schlimmsten Fall schon nach drei Monaten zu Lieferengpässen kommen. Abhängig sei die Versorgungssituation im Fall der Fälle insbesondere von der Verfügbarkeit von Flüssiggas, so die EWI-Experten. Deutschland ist der größte Importeur von russischem Gas in Europa und deckt seinen Bedarf zu fast 39 Prozent damit.
Deutschland könnte fünf Monate durchhalten
Ein Stopp russischer Erdgaslieferungen nach Westeuropa ab November würde nach spätestens sechs Monaten zu erheblichen Versorgungsstörungen in Deutschland führen, heißt es in der Studie des EWI. Um den Ausfall russischer Lieferungen innerhalb dieses Zeitraums kompensieren zu können, müsste in Europa allerdings erheblich mehr Flüssiggas als im Jahr 2013 importiert werden. Und die deutschen Gasspeicher dürften nur zu 85 Prozent wieder aufgefüllt werden. Das würde allerdings die Versorgungssicherheit im darauffolgenden Winter verringern. "Trotz seiner großen Gasspeicherkapazitäten und seiner geographischen Nähe zu den großen Gasproduzenten Niederlande und Norwegen wäre Deutschland von einem lang andauernden Gaslieferembargo durch Russland im Zuge der Ukrainekrise stark betroffen", hob Studienleiter Harald Hecking ein zentrales Ergebnis der Untersuchung hervor.
Niederlande und Norwegen als Gaslieferanten gebunden
In der Studie untersucht das Kölner Institut die Auswirkungen von Embargos verschiedener Dauer. Bei einem Lieferstopp von sechs Monaten würden in Deutschland rund drei Milliarden Kubikmeter Gas fehlen, bei einem Embargo, das länger als neun Monate dauert, wären es schon zwölf Milliarden Kubikmeter. Die Autoren der Studie führen die Folgen eines längeren Embargos für Deutschland vor allem auf drei Gründe zurück: Deutschland sei der größte Importeur von russischem Gas in Europa. Zum zweiten hätten die Niederlande und Norwegen einen wesentlichen Teil ihrer Gasproduktion über langfristige Verträge an Länder wie Frankreich und Italien verkauft und hätten also nur begrenzte Kapazitäten für zusätzliche Lieferungen nach Deutschland frei. Drittens verfüge Deutschland zwar über große Kapazitäten an Gasspeichern, je länger das Embargo aber anhalte, umso weniger nützten die Speicher.
Versorgungssituation stark von Flüssiggas-Beschaffung abhängig
Entscheidend für die Versorgungssituation sei die Menge an Flüssiggas (LNG), die auf dem Weltmarkt bezogen werden könne: Um die Gasversorgung in Deutschland während eines Embargos von fünf Monaten Dauer zu sichern, müsste Europa seine Flüssiggasimporte gegenüber 2013 nahezu verdoppeln und zusätzliche 45 Milliarden Kubikmeter beschaffen. Werden nur zusätzliche 25 Milliarden Kubikmeter importiert, drohen bereits bei einem dreimonatigen Gas-Embargo Lieferengpässe in Deutschland. Zusätzliches Flüssiggas bekäme Deutschland aber nur zu deutlich höheren Preisen, da Deutschland und Europa hier im globalen Wettbewerb mit anderen Nachfragern, z.B. Japan, stehen.
Milliarden-Einbußen für Gazprom
Die Studie weist auch zudem daraufhin, dass die Abhängigkeit nicht einseitig ist. Ein russisches Gasembargo wäre auch für den russischen Export-Monopolisten Gazprom nicht umsonst. Nach Schätzungen des EWI würden jeder Monat des Embargos in Russland zu Einnahmeausfällen von 4 bis 4,5 Mrd. Euro führen, was etwa 3,5 Prozent des Jahresumsatzes von Gazprom entspräche.
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