23.10.2014, 16:20 Uhr

EuGH stärkt die Rechte deutscher Strom- und Gaskunden

Luxemburg – Das deutsche Recht hat die Interessen der Strom- und Gaskunden nicht ausreichend berücksichtigt. Zu diesem Schluss ist nun der Europäische Gerichtshof in Luxemburg gekommen. Die Regelungen in Deutschland haben gegen die entsprechenden EU-Richtlinien verstoßen. Rückzahlungen an die Kunden sind aber ungewiss.

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hätten die Versorger in Deutschland Preiserhöhungen genauer, frühzeitiger und detaillierter ankündigen müssen als sie es getan haben. Zwar waren die zwischen 2005 und 2008 geltenden "laschen" Regeln hierzulande mit den hiesigen Gesetzen im Einklang, doch dafür erfüllten die deutschen Gesetze die entsprechenden EU-Vorgaben nicht. Nun sind Rückzahlungen möglich.

EuGH-Richter: Kündigungsrecht im Nachhinein nicht ausreichend

Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) mitteilt, ist der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe derzeit mit zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen Strom- und Gaskunden und ihren Versorgern wegen Preiserhöhungen aus den Jahren 2005 bis 2008 beschäftigt. Die Tarifkunden waren der Meinung, dass diese Erhöhungen unbillig gewesen seien. Die Kunden in Deutschland hatten zwar ein Kündigungsrecht im Nachhinein, doch das hat nach Meinung der Richter in Luxemburg nicht ausgereicht.

Der EuGH stellt fest, dass die deutschen Regelungen der „Stromrichtlinie“ 2003/54 und der „Gasrichtlinie“ 2003/55 entgegenstehen. Nach deutschem Recht sei es den Versorgern erlaubt gewesen, den Tarif zu ändern, ohne zu gewährleisten, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden. Aus Sicht der Europa-Richter war das nach den EU-Richtlinien aber nicht rechtens. In den beiden konreten Fällen ging es um eine Kundin der Technische Werke Schussental GmbH und Co. KG sowie um einen Kunden der Stadtwerke Ahaus GmbH.

Kunden benötigen vorab volle Sachkenntnis für Entscheidung

Der EuGH führt insbesondere aus, dass die Mitgliedstaaten gemäß diesen beiden Richtlinien in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten müssen. Um in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, müssten die unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Kunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.

Antrag abgelehnt: Keine Beschränkung der finanziellen Folgen durch EuGH-Urteil

Einen Antrag, nach dem die finanziellen Folgen des Urteils so weit wie möglich beschränkt werden soll, weist der EuGH zurück. Er lehnt damit eine eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen seines Urteils ab. Hierzu stellt der Gerichtshof insbesondere fest, dass nicht dargelegt wurde, dass die Infragestellung der Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen sich in der Vergangenheit erschöpft haben, rückwirkend die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde. Die Auslegung der EU-Richtlinien gilt also für alle im zeitlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinien erfolgten Änderungen. Experten gehen davon aus, dass zumindest Tarifkunden nicht zahlen müssen, die sich gegen damalige Preiserhöhungen zur Wehr gesetzt haben.

Profitieren die Strom-und Gaskunden? VKU sieht Rückwirkung kritisch

Aus Sicht des Verbands kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) ist das EuGH-Urteil im Ergebnis "durchaus annehmbar". Der EuGH habe damit keine überhöhten Transparenzanforderungen für Preisänderungen in der Grundversorgung gestellt. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Vorfeld der Entscheidung in die Wege geleitete Änderung der entsprechenden Gesetze sei daher der richtige Weg gewesen, damit künftige Änderungen der Grundversorgungspreise auch nach europäischen Anforderungen wirksam realisiert werden können. Allerdings sieht der VKU die vom EuGH eröffnete Rückwirkung kritisch: Diese sei nach "deutschen Rechtsgrundsätzen nicht ohne weiteres möglich und auch inhaltlich aufgrund der gesetzlichen Bindung der Grundversorger an die StromGVV und GasGVV verfehlt." Auf den endgültigen Ausgang des Verfahrens beim Bundesgrichtshof (BGH) darf man nach dem EU-Richterspruch gespannt blicken.

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