12.11.2014, 08:36 Uhr

Kohlestrom: Gabriel und das ominöse Strategiepapier

Münster – Am Dienstag verbreitete sich die Nachricht über ein angebliches Strategiepapier von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Thema Kohlestrom. In diesem Papier soll sich Gabriel gegen einen zügigen Ausstieg aus der Kohleverstromung ausgesprochen haben. Bei der Suche nach dem Papier kam Überraschendes zutage.

Die Deutsche Presseagentur (dpa) und die Nachrichtenagentur Reuters hatten erklärt, im Besitz des von Wirtschaftsminister Gabriel herausgegebenen Strategiepapiers zu sein. Darin soll er sich zum Ausstieg aus der Kohleenergie geäußert haben und zunächst an den Kohlekraftwerken festhalten wollen.

Kein offizielles Dokument

Auf Anfrage von IWR Online beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Strategiepapier hieß es allerdings, es gäbe kein solches Papier. Dies sei eine Ansammlung von Presseaussagen von Herrn Gabriel und würde in keinem offiziellen Dokument stehen. Über Umwege gelangte IWR Online dennoch an ein Dokument auf Basis einer E-Mail aus dem BMWi. Dieses Papier spiegelt offenbar die Haltung Gabriels in Bezug auf die Kohlekraftwerke wider.

Gabriel und Hendricks uneinig

Das Fazit des "inoffiziellen" Dokumentes lautet, „dass es keinen Spielraum für die zusätzlichen Stilllegung von Kohlekraftwerken gibt, ohne dass wir die Versorgungssicherheit in Frage stellen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Strompreisentwicklung ist eine zusätzliche Abschaltung von Kohlekraftwerken abzulehnen.“ Man könne nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und aus der Kohleverstromung aussteigen, betonte Gabriel am Dienstag zudem auf dem Energiekongress der Deutschen Energieagentur (dena). Anders sieht das seine Partei- und Kabinettskollegin, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Einen Tag nach Veröffentlichung des Weltklimarat-Berichts hatte sie in Bezug auf das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 40 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 zu emittieren, erklärt: "Es wird wohl nicht anders gehen, als dass wir auch Kohlekraftwerkskapazitäten abbauen"

Klimaziele in Deutschland: Der 3. Dezember 2014 entscheidet

Gabriel sieht in der Meinungsverschiedenheit jedoch keinen Konflikt. Sie habe Recht, dass wegen enormer Überkapazitäten in Europa auch Kohlekraftwerke Schritt für Schritt vom Netz gehen würden. Aber das sei Sache der Unternehmen. Durch die Stilllegung deutscher Kohlekraftwerke würde in Europa nicht eine Tonne Kohlendioxid für den Klimaschutz eingespart, weil die dafür benötigten Zertifikate zu einem anderen Kraftwerk wanderten. Deshalb müssten noch mehr Verschmutzungsrechte aus dem Markt genommen werden, um den europäischen Emissionshandel zu retten. Ob die Umweltministerin Hendricks nun gegen Gabriel verloren habe, werde sich am 3. Dezember zeigen, sagte Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Bundestagsausschusse für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. An diesem Tag will das Kabinett die von Hendricks ausgearbeiteten Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele verabschieden.

Opposition: Unverblümter Angriff auf die Energiewende

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Oliver Krischer sagte dazu: „Einmal mehr zeigt Bundeswirtschaftsminister Gabriel sein wahres Kohle-Gesicht. Im Sommer bremst er mit der EEG-Reform die Erneuerbaren aus, beim Thema Energieeffizienz droht ihm wegen Nicht-Umsetzung ein EU-Strafverfahren und bei der Kohle will er alles so lassen wie es ist.“

Die Linke sah dies als einen „unverblümten Angriff auf die Energiewende“. Der SPD-Minister stellt sich vor die Kohleindustrie und die großen Energiekonzerne, welche den Umstieg auf die Erneuerbaren verschlafen haben“, sagte die klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Eva Bulling-Schröter.

Umweltverbände reagierten empört auf die angeblichen Aussagen von Gabriel. „Die Kanzlerin darf Umweltministerin Hendricks nicht im Regen stehen lassen und wegsehen, wenn Gabriel die Klimaschutzziele unseres Landes infrage stellt", meinte Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender.

Greenpeace Aktivisten demonstrierten bei der Rede von Minister Gabriel am Dienstag auf dem Energiekongress der Deutschen Energieagentur. Gabriel dazu: „Ich bin nachher noch im Estrel-Hotel bei den Betriebsräten von Vattenfall, die für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze in der Braunkohle kämpfen. Mein Vorschlag ist: Trauen Sie sich dort auch mal rein.“

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