21.01.2015, 15:56 Uhr

Politik schreibt der Atomwirtschaft nach Moratorium "goldenen Brief"

Münster – Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat der Atomwirtschaft offenbar auf deren Drängen hin einen wertvollen Brief geschrieben. Dies berichtet das ARD-Magazin "Monitor". Der Brief soll eine wichtige Grundlage für die Klage gegen das Atomenergie-Moratorium nach dem GAU von Fukushima im März 2011 gewesen sein. Es geht um mehrere Hundert Millionen Euro.

In der Monitor-Sendung wird dargestellt, wie der ehemalige RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann den hessischen Ministerpräsidenten Bouffier ausdrücklich um ein Schreiben bittet, das später als wesentliche Grundlage für Schadensersatzklagen der Atomkonzerne wegen des Moratoriums dient. In den Klagen der Atomkonzerne geht es insgesamt um Schadensersatz in Höhe von knapp 900 Millionen Euro.

Brief betrifft Wiederanfahren von Biblis B

Nach dem GAU (größter anzunehmender Unfall) von Fukushima hatte die Bundesregierung ein dreimonatiges Atom-Moratorium festgelegt. Allerdings hatte RWE das neben anderen betroffenene Atomkraftwerk (AKW) Biblis B in Hessen auch nach dem Ende des Moratoriums nicht wieder hochgefahren. Die deutschen Atomkonzerne E.ON, EnBW und RWE haben inzwischen alle gegen das Moratorium geklagt und RWE hat dies auch für die Zeit nach dem Ende des Moratoriums bei Biblis B getan. Dabei stützt sich RWE auf ein Schreiben von Bouffier an RWE. Darin warnt der CDU-Politiker den Betreiber davor, das besagte AKW wieder anzufahren. Die hessische Atomaufsicht würde im Falle eines Anfahrens des Kernkraftwerkes "dagegen vorgehen".

RWE fragt nach Schreiben – Politik liefert

Dieser Brief habe aus Sicht von Rechtsexperten eine Grundlage für die heutigen Schadenersatzforderungen geschaffen. Unter Berufung auf "geheime Dokumente" stellt Monitor zudem dar, dass die Zusendung des Briefes und damit der Klage-Grundlage aufgrund einer Absprache zwischen Politik und Energiewirtschaft erfolgte. Denn in einem zuvor verfassten Schreiben fragt RWE-Chef Grossmann bei Bouffier an, wann mit diesem wichtigen Brief gerechnet werden kann. Grossmann bezieht sich darin auf eine getroffene Absprache mit dem damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU).

Diesen Brief von Großmann zeigt Monitor in seinem Beitrag und zitiert daraus: "Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Bouffier, der 15. Juni und damit der Tag, an dem wir Biblis B wieder anfahren könnten, rückt näher. Herr Minister Pofalla sagte mir zu, mir bis dorthin wieder einen schriftlichen Bescheid zu geben, dass Sie ein evtl. Anfahren verhindern werden. Wann können wir mit diesem Schreiben rechnen?" Das von Grossmann geforderte Schreiben ließ nicht lange auf sich warten. Etwa eine Woche später sei Bouffiers Brief und damit die Klagegrundlage geliefert worden, so Monitor.

Bouffier: Schreiben begründet keine Schadenersatzklage

Bouffier erklärte, die "Unterstellung", er hätte damit "zum Nachteil Hessens gehandelt, ist erstens ehrenrührig, zweitens falsch - und drittens" weise er sie "in aller Entschiedenheit zurück". Laut hr-online stelle der Brief, um den es geht, nicht den von RWE-Chef Großmann verlangten Bescheid dar, sondern lediglich "eine politische Antwort auf einen Brief". Nach Bouffiers Auffassung begründe sein Schreiben keine Schadenersatzklage wegen des Biblis-Moratoriums.

Quelle: IWR Online
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