26.02.2015, 08:05 Uhr

Atomenergie: Deutschland bekommt Kompetenzzentrum für Rückbau

Karlsruhe - Der sichere Rückbau kerntechnischer Anlagen ist ein Baustein für die Energiewende in Deutschland und bedeutet große Herausforderungen für Wissenschaft, Technik und Industrie. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gründet daher ein Kompetenzzentrum Rückbau. Diese Kompetenzen werden aber auch außerhalb Deutschlands benötigt.

Wie das KIT erklärt, soll das "einzigartige Know-how zum Rückbau kerntechnischer Anlagen" gesichert und vertieft werden. Neben innovativen Rückbautechnologien gehören die radiologische Charakterisierung kontaminierter Anlagenteile, die Dekontamination, der Strahlenschutz, das Management komplexer Prozesse und die interdisziplinäre Technikfolgenabschätzung zu den zentralen Themen.

Bedarf enorm: Bis 2025 soll ein Drittel der 145 aktiven AKW in Europa stillgelegt werden

Nicht nur in Deutschland, auch europa- und weltweit ist laut KIT künftig eine große Nachfrage nach Kompetenzen zum sicheren Rückbau zu erwarten, auch mit Blick auf eine sichere Entsorgung der dabei anfallenden radioaktiven Abfälle. So gehe die Europäische Kommission davon aus, dass bis 2025 etwa ein Drittel der 145 derzeit aktiven Kernkraftwerke stillgelegt sein wird. Daher gelte es nicht nur, vorhandenes Know-how auszubauen, sondern mittel- und langfristig Wissenschaftler und Ingenieure für dieses Arbeitsfeld auszubilden. Das Kompetenzzentrum Rückbau des KIT ist Teil des Helmholtz-Programms Nukleare Entsorgung und Sicherheit sowie Strahlenforschung (NUSAFE). Ihm gehören zwölf Abteilungsleiter am KIT mit ihren Teams an

Der Rückbau kerntechnischer Anlagen umfasst viele Aspekte, zu denen am KIT nach eigener Darstellung hohe Kompetenzen vorhanden sind. Dazu gehören Rückbaustrategien gemäß den gesetzlichen Rahmenbedingungen, Rückbautechnologien, Rückbaumanagement, Dekontaminations- und Konditionierungstechnologien, Schutz der Beschäftigten, der Bevölkerung und der Natur vor Strahlenexposition, Analyse der politischen und gesellschaftlichen Bedingungen sowie Strategien zur angemessenen Beteiligung und Information der Öffentlichkeit.

Aufbau des Kompetenzzentrums durch Professor Sascha Gentes

"Das Kompetenzzentrum Rückbau des KIT kann auf eine umfangreiche Expertise und eine leistungsstarke Infrastruktur zurückgreifen", sagt Dr. Walter Tromm, Programmsprecher NUSAFE des KIT und Topicsprecher Kernenergie und Sicherheit des KIT-Zentrums Energie. "Damit bietet es auch ideale Voraussetzungen für die nachhaltige Ausbildung des Ingenieurnachwuchses."

Professor Sascha Gentes, Inhaber des Lehrstuhls für den Rückbau konventioneller und kerntechnischer Bauwerke (TMRK) am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) des KIT wird das neue Kompetenzzentrum aufbauen: "Bei jedem Projekt müssen die aktuellen Rückbaumethoden speziell angepasst und optimiert werden", erklärt Gentes. "Mit dem Kompetenzzentrum wollen wir standardisierte Lösungen und Verfahren wissenschaftlich und technisch gezielt aufbereiten und bereitstellen."

Eine optimale Dekontaminationsstrategie setzt die detaillierte Kenntnis der Art der Radionuklide, ihrer Verteilung in Komponenten sowie ihres chemischen Bindungszustands voraus. Daher ist auch die Untersuchung und umfassende Charakterisierung realer radioaktiver Proben unumgänglich; über eine spezielle Infrastruktur verfügt das KIT mit dem Institut für Nukleare Entsorgung (INE).

Areva mit im Boot: Weiterbildung an der Nuclear Professional School

Das Forschungsportfolio des Kompetenzzentrums Rückbau soll schrittweise erweitert und ergänzt werden, um eine ganzheitliche Betrachtung zu ermöglichen. Dazu werden neben den technisch-ingenieurwissenschaftlichen Themen auch naturwissenschaftliche, gesellschaftspolitische, rechtliche, medizinische und ökologische Fragen einbezogen. Bereits im Jahre 2008 wurde am KIT die Professur Rückbau konventioneller und kerntechnischer Bauwerke eingerichtet, die es in dieser Form in Deutschland nur am KIT gibt. U.a. bietet die am KIT angebundene Areva Nuclear Professional School ein Weiterbildungsprogramm zum Thema Rückbau an. Das Kompetenzzentrum wird aber auch mit anderen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Partnern aus der Industrie zusammenarbeiten.

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