23.06.2015, 07:55 Uhr

Streit um Kohlekraftwerk Datteln IV wird zum Papierkrieg

Münster – Der Energiekonzern E.ON wollte mit Datteln IV eigentlich das leistungsfähigste Steinkohlekraftwerk Europas mit nur einem Kraftwerksblock errichten. Die ursprüngliche Inbetriebnahme konnte nicht eingehalten werden, da der Bau auch zum Politikum geworden ist. Ein wahrer Papierkrieg ist hierzu im Gange.

Einer der hartnäckigsten Gegner des Kohlekraftwerk-Neubaus, der bereits im Jahr 2007 begonnen wurde, ist der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der BUND-Landesverband NRW hat Ende Mai Einwendungen gegen das Kraftwerk auf über 1.600 Seiten bei der Bezirksregierung Münster eingereicht.

Mit 1.630 Seiten gegen 94 Aktenordner

Datteln IV ist als Monoblockanlage mit einer Bruttoleistung von 1.100 Megawatt (MW) und einem Nettowirkungsgrad von über 45 Prozent geplant. Zwischenzeitliche Probleme mit dem Bebauungsplan sind laut E.ON inzwischen überwunden. Im nächsten Schritt folgt das immissionsschutzrechtliche Verfahren zur Wiedererlangung der kompletten Baugenehmigung und der Betriebsgenehmigung. Doch der Widerstand läuft weiter. Der BUND in NRW meint: „Das E.ON-Steinkohlekraftwerk Datteln IV ist auch weiterhin nicht genehmigungsfähig.“ Im Rahmen des neuen immissionsschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens für den seit Jahren umstrittenen Kohlemeiler haben die Umweltschützer gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Meistersiedlung, einem Zusammenschluss von Bürgern aus Datteln und Umgebung, eine 1.630 Seiten starke Stellungnahme zum Kraftwerksvorhaben vorgelegt.

Mindestabstände: Lineal bei Windkraft - 7-Meilen-Stiefel bei Kohle-Block

Dass diese Ausarbeitung nur ein weiterer Angriff im Papierkrieg um das Kraftwerk darstellt, zeigt die Grundlage für die Stellungnahme: Im Rahmen der formellen Öffentlichkeitsbeteiligung hatte der BUND etwa eineinhalb Monate lang die Gelegenheit, die insgesamt 94 Aktenordner des Antrags zu sichten. Darauf bezieht sich die vorgelegte Stellungnahme, die auch juristisch verwertbar ist. Darin bemängelt die Umweltschutzorganisation nach wie vor, dass der Betrieb des Kraftwerks zu unzulässigen Schadstoff- und Stickstoffeinträgen in besonders empfindliche europäische Natura-2000-Schutzgebiete führen würde. Mit dem Kühlwasser würden Schadstoffe wie zum Beispiel Quecksilber in die Lippe gelangen, worin der BUND einen klaren Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot gemäß Wasserrahmenrichtlinie sieht. Bau und Betrieb des Kraftwerks in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung seien zudem mit massiven Beeinträchtigungen der Anwohner verbunden. Lärm- und Feinstaubimmissionen würden ein gesundheitliches Risiko darstellen, außerdem würden erhebliche negative Auswirkungen durch eine Verschattung durch den Kühlturm und die Abgasschwaden eintreten. Dazu Rainer Köster von der IG Meistersiedlung: "Der geforderte Abstand zur nächsten Wohnbebauung wird in NRW bei Windkrafträdern mit dem Lineal abgemessen, bei dem größten Kohle-Monoblockkraftwerk Westeuropas reichen offenbar Sieben-Meilen Stiefel." Den Anwohnern drohe so nicht nur ein Verlust an Lebensqualität, sondern auch eine „kalte Enteignung“ ihrer Häuser.

BUND kann keinen Lerneffekt bei E.ON erkennen

"E.ON hat 2007 mit dem übereilten Beginn des Kraftwerksbaus den größten Fehlstart der Region hingelegt. Der zweite Versuch zeigt leider, dass sie nicht viel daraus gelernt haben“, kommentiert Dr. Thomas Krämerkämper, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND die Sachlage. „Das Projekt ist offenbar so verfahren, dass E.ON es auch mit großem Aufwand nicht mehr hinbekommt, die Fehler der Vergangenheit zu reparieren. Auch der erneute Antrag 2015 ist meilenweit von einer Genehmigungsfähigkeit entfernt. Wir hoffen, dass die Genehmigungsbehörde diesmal aufmerksamer prüft und auch nicht die weiterhin vorhandenen Lücken in den Unterlagen durchgehen lässt.“ Nun bleibt abzuwarten, wie die Stellungnahme auf die immissionsschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren wirkt.

Quelle: IWR Online

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