02.07.2015, 09:58 Uhr

Klimaabgabe, Netzausbau und AKW-Rückbau: Regierung schließt Energiewende-Kompromisse

Berlin – Am Mittwochabend haben sich die Koalitionsspitzen der Bundesregierung in zentralen Fragen der Energiewende geeinigt. Es ging um strittige Themen wie die Braunkohle-Verstromung oder den Ausbau des Stromnetzes.

Zur Beendigung dieser Streitpunkte hatten sich am Mittwochabend Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) getroffen. Offenbar wurde dabei die Klimaabgabe nach den Vorstellungen Gabriels, wie sich bereits zuletzt abgezeichnet hatte, durch einen Alternativ-Vorschlag ersetzt. Beim Netzausbau, der insbesondere wegen des Widerstands von CSU-Chef Seehofer stockt, soll nun verstärkt auf Erdkabel gesetzt werden. Für die Opposition sind die Kompromisse "nichts als reine Luftbuchungen".

Klimaabgabe gescheitert – Gabriel sind Arbeitsplätze nicht egal

Mit seiner Klimaabgabe ist Wirtschaftsminister Gabriel gescheitert. Stattdessen werden nun Braunkohlekraftwerke im Umfang von 2.700 Megawatt vorzeitig in die Kapazitäts-Reserve geschickt. Damit sind auch Entschädigungszahlungen an die Betreiber, wohl vor allem RWE, verbunden. Von 800 Mio. Euro pro Jahr ist die Rede. Die Regierung erklärt, dass Deutschland das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 1990 zu reduzieren, erreichen wird.

Gabriel begründete den Kompromiss im ARD-Morgenmagazin mit dem großen Widerstand von Unternehmen und Gewerkschaften, die Tausende Jobs in Gefahr gesehen haben. Er als Wirtschaftsminister könne nicht sagen, dass ihm die Arbeitsplätze in der Lausitz völlig egal seien, so Gabriel.

Netzausbau: Vorrang für Erdkabel

In Punkto Stromnetz-Ausbau ist der Streit Medienberichten zufolge entschärft worden, da statt auf Freileitungen künftig stärker auf Erdkabel gesetzt werden soll. Erdkabel haben nun bei neuen Gleichstromtrassen Vorrang. Zudem sollen bestehende Stromtrassen noch effizienter genutzt werden.

Weitere Diskussionspunkte waren die Kosten für den Rückbau von Atomkraftwerken und für die Lagerung des Atommülls. Dabei will die Regierung sicherstellen, dass sich Energiekonzerne nicht ihrer Verantwortung entziehen können und dafür sorgen, dass keine Verkleinerung des Haftungsvermögens erfolgt.

Auch bei Energieeffizienz-Maßnahmen will die Regierung mehr tun: Die entsprechenden Programme werden bis 2020 um bis zu 1,2 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt. Finanziert werden diese Maßnahmen aus öffentlichen Mitteln.

Grüne sprechen von Kohlekanzlerin, Klima-Pinocchio und Energiewende-Populist

Der Grüne Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer, kommentierte, die Kompromisse nach monatelangen Diskussionen seien nichts als reine Luftbuchungen. "Durch Taschenspielertricks, Luftbuchungen und Schönrechnungen" solle das Klimaschutzziel erreicht werden. Krischer sagte: "Merkel wird damit nach der Show auf dem G7-Gipfel endgültig unglaubwürdig und zur Kohlekanzlerin. Gabriel wird nach seinem Versprechen von Ehrlichkeit in der Energiepolitik zum Klima-Pinocchio. Statt in Klimaschutz und Strukturwandel zu investieren, wirft die Große Koalition RWE und Vattenfall Milliarden hinterher für Methusalem-Kraftwerke, die die Konzerne selbst schon stilllegen wollten. Das Ergebnis des Energiegipfels ist eine klimapolitische Bankrotterklärung der Bundesregierung auf Kosten der Stromkunden."

Beim Thema Netzausbau stellte Krischer die Frage, weshalb die Bundesregierung Erdkabeln bei neuen Gleichstromtrassen erst jetzt den Vorrang geben will. Doch es bleibe unklar, über welche Leitungen der billigere Erneuerbaren-Strom aus dem Norden in die Verbrauchszentren im Süden transportiert werden könne. "Spätestens bei Klärung dieser offenen Frage wird Energiewende-Populist Seehofer mit seiner CSU den vermeintlichen Kompromiss wieder sabotieren", vermutet Krischer.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2015