08.07.2015, 14:43 Uhr

Bayern: Warum die Freien Wähler Erdkabel ablehnen

München – Die Energiewende-Kompromisse der Koalitionsspitzen auf Bundesebene sind gerade mal eine Woche alt und scheinen auch eine – wenn auch kostspieligere - Lösung im Dauerstreit um den notwendigen Netzausbau zur Stromversorgung in Bayern gebracht zu haben, da erklingen neue Misstöne von Seiten der Opposition in Bayern. Die Freien Wähler sind "vehement" gegen Erdkabel-Trassen.

Zwar haben die Freien Wähler, die bei der letzten Landtagswahl in Bayern im Jahr 2013 mit 9,0 Prozent etwas besser als die Grünen (8,6 Prozent) abgeschnitten hatten, nicht an den Kompromissen zur Energiewende und dem darin vorgesehenen Vorrang für Erdkabel-Systeme mitgewirkt, aber dennoch wirft die aktuelle Ablehnung einen neuen Schatten auf das Thema. Was sind aber die Argumente der Freien Wähler, die gegen Erdkabel sprechen?

Erdkabel: Bauzeit verlängert sich um Jahre und kommt zu spät

In der Mitteilung der drittstärksten Fraktion des bayerischen Landtags heißt es, die Erdkabel-Trassen kämen "zu spät", sie seien "zu teuer und nicht notwendig". Die Entscheidung für die beiden Stromtrassen durch Bayern ist aus Sicht der Freien Wähler höchst umstritten. Dennoch verkaufe die Bayerische Staatsregierung ihre Energiepolitik als Erfolg. "Lachhaft", meint Thorsten Glauber, energiepolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Freien Wähler: "Diese Selbstbeweihräucherung ist unerträglich. Das Totalversagen in den Koalitionsverhandlungen als Erfolg zu verkaufen, ist absurd. Wer die Erdverkabelung als Erfolg preist, verkennt, dass sich die Bauzeit durch die Erdverkabelung um Jahre verlängern wird – und damit zu spät kommt."

Verzicht auf Stromtrassen und dafür dezentrale Energiewende

Nach Überzeugung der Freien Wähler können die beiden geplanten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung(HGÜ)-Leitungen, die Süd-Ost-Passage und Suedlink, nicht bis Ende 2022 fertiggestellt werden. Das bedeutet, so die Freien Wähler, dass die Trassen zum Zeitpunkt der Abschaltung des letzten Kernkraftwerks keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Bayern leisten werden. Glauber: "Wir fordern daher die Staatsregierung in einem Dringlichkeitsantrag auf, auf die beiden Stromleitungen zu verzichten. Sie kommen schlichtweg zu spät, um die Stromversorgung im Freistaat zu sichern." Die Freien Wähler setzen stattdessen auf eine dezentrale Energiewende, die vor Ort zusammen mit Kommunen und Bürgern umgesetzt werden soll.

Stromnetz-Ausbaukosten steigen um Faktor Drei

Die vorgesehene Erdverkabelung wird aus Sicht der auf die kommunale Selbstverwaltung setzenden Partei zudem zu einer "Explosion des Strompreises" führen. Da ist sich Energiesprecher Glauber sicher. "Die Investitionskosten bei Erdkabeln liegen mindestens um den Faktor Drei über denen von Freileitungen – abhängig von den örtlichen Gegebenheiten sogar noch deutlich darüber. Diese Milliardenkosten müssen vollumfänglich von den Stromverbrauchern getragen werden," stellt Glauber fest.

Bundes-Grüne hätten sich Erdkabel-Entscheidung früher gewünscht

Bei den Grünen wird das Thema zumindest auf Bundesebene etwas anders eingeschätzt. Für den Grünen-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag, Oliver Krischer, kommt vor allem die Entscheidung für Erdkabel zu spät: "Beim Thema Netzausbau fragt man sich, weshalb die Bundesregierung Erdkabeln bei neuen Gleichstromtrassen erst jetzt den Vorrang geben will. Hätte man dies von Anfang an festgelegt, wären Akzeptanzprobleme vor Ort von vornherein vermindert werden können. Doch auch hier bleiben Union und SPD den Menschen im Land die Frage schuldig, über welche Leitungen der billigere Erneuerbaren-Strom aus dem Norden in die Verbrauchszentren im Süden transportiert werden können." Krischer vermutet, dass CSU-Chef Horst Seehofer spätestens bei Klärung dieser offenen Frage mit seiner CSU den "vermeintlichen Kompromiss" wieder sabotieren werde.

Quelle: IWR Online

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