20.11.2015, 12:22 Uhr

EU eröffnet Verfahren gegen Ungarns AKW-Bau – Greenpeace Energy will mehr

Hamburg - Die Europäische Kommission hat entschieden, gegen Ungarn ein Verfahren wegen einer fehlenden Ausschreibung für das Atomkraftwerks-Projekt Paks II zu eröffnen. Paks ist das einzige Atomkraftwerk in Ungarn. Es liegt nahe der Stadt Paks, 100 Kilometer südlich von Budapest an der Donau. Zwei neue Blöcke sind dort geplant.

Laut Medienberichten will Brüssel deshalb nun die ungarische Regierung auffordern, keine weiteren Verträge für das Atomprojekt abzuschließen. Nicht untersuchen will die Kommission aber, ob die geplanten Milliarden-Beihilfen für Paks II gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen. Genau das fordert allerdings nun Greenpeace Energy.

Greenpeace Energy fordert Stopp der Atombeihilfen

„Beim geplanten Finanzierungspaket für Paks II handelt es sich – ähnlich wie beim AKW-Projekt Hinkley Point C in Großbritannien – um eine illegale und unfaire Beihilfe ganz im Sinne der Atomindustrie“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. „Nachdem die Kommission bereits die britischen Atombeihilfen leichtfertig durchgewunken hat, darf sie jetzt nicht vor den ungarischen Begehrlichkeiten mit russischer Technologie und russischem direktem nuklearem Engagement einknicken“, so Tangermann.

Verzerrung des europäischen Strommarkts

Wie im Fall von Hinkley Point C, gegen dessen Subventionierung Greenpeace Energy und weitere Unternehmen aus Deutschland und Österreich klagen, führen auch bei Paks II die enormen staatlichen Beihilfen zu einer Verzerrung des europäischen Strommarkts, so Greenpeace Energy. Der geplante Ausbau grenzüberschreitender Stromleitungen in den kommenden Jahren werde diese nachteiligen Preiseffekte voraussichtlich verstärken. „Das Projekt Paks II wäre ein weiteres europäisches Beispiel dafür, dass die riskante Atomkraft auch nach mehr als 60 Jahren nicht wirtschaftlich ist, sofern sie nicht durch exorbitante staatliche Zahlungen gestützt wird“, erklärte Tangermann. Bleibt die Kommission bei ihrer passiven Haltung, müsse Greenpeace Energy als betroffenes Unternehmen eigene rechtliche Schritte prüfen

MVM plant zwei russische Druckwasserreaktoren

Der staatliche ungarische Energiekonzern MVM plant am Standort Paksden Bau von zwei russischen Druckwasserreaktoren mit einer Gesamtkapazität von 2.400 Megawatt (MW). Ein transparentes Auswahlverfahren gab es im Vorfeld nicht. Der Neubau Paks II soll rund 12,5 Milliarden Euro verschlingen, von denen zehn Milliarden Euro von russischen Kreditgebern und weitere 2,5 Milliarden aus dem ungarischen Haushalt stammen sollen.

Die Wahl des russischen Reaktormodells für Paks II geht nicht auf eine transparente Prüfung anhand einer Anforderungsliste der ungarischen Atomaufsicht zurück – oder auf eine überzeugende Leistung im Vergleich mit anderen Modellen. Informationen zu den verwendeten Reaktoren stammen fast ausschließlich vom russischen Hersteller. „Dass Brüssel nun die fehlende Ausschreibung offiziell prüfen will, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit“, findet Tangermann, „es wirkt aber angesichts der vielen weiteren Fragezeichen bei diesem Projekt eher wie ein europarechtliches Feigenblatt.“

Quelle: IWR Online

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