Deutschland baut so viele Erdgas-Kraftwerke wie zuletzt in den 70ern
Bonn/Berlin/Münster - In Deutschland sollen bis Ende des kommenden Jahres neue Erdgas-Kraftwerke mit einer Netto-Leistung von knapp 2.000 Megawatt (MW) ans Netz gehen. Eine überraschend hohe Zahl angesichts sinkender Margen im Stromgeschäft.
Nach Angaben des Branchen-Informationsdienstes Montel erreicht die geplante Zuschaltung neuer Erdgaskraftwerke in Deutschland damit das höchste Ausmaß seit den 1970er Jahren. Doch es werden auch Erdgas-Kraftwerke abgeschaltet. Zudem hat das Bundeswirtschaftsministerium seine Vorstellungen über die Maßnahmen zur Steigerung der Erdgasversorgungssicherheit bekannt gegeben.
Vor allem Stadtwerke nehmen große Erdgas-Kraftwerke in Betrieb
Der Strommarkt ist weiter von niedrigen Preisen geprägt, die Margen und damit auch die Betreiber der Kraftwerke stehen unter Druck. Insbesondere sind Erdgas-Kraftwerke auch durch den billigen Kohlestrom in den vergangenen Jahren aus dem Markt gedrängt worden. Doch im Vergleich zur Kohle ist die Verbrennung von Erdgas weniger klimaschädlich. Obwohl sich der Betrieb der Gaskraftwerke derzeit nicht lohnt, werden neue Kapazitäten ans Netz gebracht. Vor allem Stadtwerke haben investiert und werden bis Ende 2016 neue Erdgas-Kraftwerke mit einer Nettoleistung von 1.954 MW in Betrieb nehmen. Die größten Einzelkraftwerke gehören dabei den Stadtwerken Düsseldorf (595 MW) und der Rheinenergie AG aus Köln (446 MW).
Gleichzeitig wollen die Betreiber im gleichen Zeitraum meist kleinere Erdgas-Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt bis zu gut 1.300 MW vom Netz nehmen. Hier ist an erster Stelle Vattenfall aktiv und plant, an zwei Standorten mehrere kleine Blöcke mit insgesamt rund 450 MW vom Netz zu nehmen. Zudem will Vattenfall im Zeitraum 2016 bis 2018 in Berlin den Betrieb eines 432-MW-Gaskraftwerkes beenden.
Gabriel will Erdgasversorgungssicherheit marktbasiert steigern
Neben den derzeit schwachen Margen ist auch die zuverlässige Versorgung mit Erdgas für die Betreiber von Bedeutung. Aus diesem Grund hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) nun die neuen "Eckpunkte für Maßnahmen zur weiteren Steigerung der Erdgasversorgungssicherheit" vorgestellt. Zwei Maßnahmen stehen dabei im Zentrum. Erstens soll den Marktgebietsverantwortlichen ermöglicht werden, für den Fall außergewöhnlicher regionaler Engpass-Situationen ein höheres Volumen an bereits bestehenden Vorsorgeprodukten abzuschließen. Vorsorgeprodukte stellen eine Reserve dar, die dann zum Zuge kommt, wenn der Regelenergiebedarf nicht mehr über den regulären kurzfristigen Regelenergiemarkt gedeckt werden kann. Als zweite Maßnahme soll ein neues Regelenergieprodukt geschaffen werden, das auch einem größeren Kreis von Industriekunden ermöglicht, durch eine freiwillige Gasnachfragereduktion (Demand-Side Management) einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten.
Bundesminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: "Mit den heute vorgestellten Eckpunkten wollen wir das bereits heute sehr hohe Niveau der Gasversorgungssicherheit in Deutschland weiter stärken und verbessern. Wir gehen den Weg, die Gasversorgung marktbasiert zu stärken, konsequent weiter. Im Sinne eines jeden Haushalts- und Industriekunden steigern wir dadurch die Versorgungssicherheit wirksam mit kosteneffizienten und flexiblen Maßnahmen."
Quelle: IWR Online
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