13.01.2016, 09:50 Uhr

Hendricks stellt Sicherheitsfragen zu belgischen Atomkraftwerken

Berlin – Die belgischen Atomkraftwerke sind alt und in keinem guten Zustand. Deutsche Politiker machen sich Sorgen um die Sicherheit der Reaktoren. Nun haben Experten des Bundesumweltministeriums der belgischen Atomaufsichtsbehörde eine Liste mit 15 offenen Fragen zur Sicherheit der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 übergeben.

Die Diskussion um die Sicherheit der Atomkraftwerke (AKW) des deutschen Nachbarn haben kurz vor dem Jahreswechsel an Dynamik gewonnen, nachdem ein Feuer im AKW Tihange die automatische Abschaltung des Reaktors ausgelöst hatte. Auch wenn der Brand im nichtnuklearen Teil laut Betreiber Electrabel keine Auswirkungen auf Menschen hatte, stieg die Besorgnis insbesondere in Aachen, rund 70 Kilometer östlich des Reaktors. Es war nicht der erste Zwischenfall in einem belgischen AKW.

BMUB sieht „signifikante Abweichung von der geforderten Fertigungsqualität“

Die nun vom Bundesumweltministerium (BMUB) gestellten Fragen beziehen sich auf das durchgeführte Prüf- und Bewertungsverfahren und die Sicherheitsnachweise für die Reaktordruckbehälter der beiden AKWs Tihange 2 und Doel 3, die beide bereits seit 1982 am Netz sind. Nach Einschätzung der BMUB-Fachleute stellen die in den Reaktordruckbehältern der beiden Anlagen zwischenzeitlich gefundenen Wasserstoffflocken eine „signifikante Abweichung von der geforderten Fertigungsqualität“ dar. Aus deutscher Sicht sei fraglich, inwieweit das mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke vereinbar ist. In beiden Reaktoren waren Risse in den Reaktordruckbehältern festgestellt worden, die von Experten als sogenannte Wasserstoffflocken, also Fehleinschlüsse bei der Herstellung des Reaktors, interpretiert werden.

Bevölkerung in der grenznahen Region nicht von AKW-Sicherheit überzeugt

Die Fragenliste wurde der belgischen Seite anlässlich des internationalen Arbeitstreffens überreicht, zu dem die belgische Atombehörde FANC (Federaal Agentschap voor Nucleaire Controle) weitere europäische Atomaufsichtsbehörden eingeladen hatte, um über die Hintergründe für die Wiederinbetriebnahme der beiden Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 zu informieren.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): "Wir werden die Ergebnisse des Arbeitstreffens sorgfältig auswerten. Ich begrüße es, dass die belgische Atomaufsicht zu weiteren bilateralen Fachgesprächen mit Vertretern von Bund und Ländern bereit ist. Darüber hinaus halte ich es für wichtig, dass die Bundesregierung auch auf politischer Ebene Gespräche führt – sowohl zur Sicherheit von Atomkraftwerken als auch zu energiewirtschaftlichen Fragestellungen. Dazu werde ich die Initiative ergreifen."

Zudem weist das BMUB daraufhin, dass die Bevölkerung insbesondere in den grenznahen Regionen nicht von der Sicherheit der belgischen AKW überzeugt sei. Die belgischen Behörden seien aufgefordert worden, diese Sorgen und Bedenken sehr ernst zu nehmen.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen) fordert, dass insbesondere die von ihm als „Bröckelreaktoren“ bezeichneten belgischen AKWs dauerhaft vom Netz bleiben.

Sicherheitsnachweis der Reaktordruckbehälter nicht vollständig erfasst

Das gewählte Bewertungskonzept der belgischen Behörden zum Wiederanfahren der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 erscheint zwar in sich geschlossen und nachvollziehbar – der Sicherheitsnachweis der Reaktordruckbehälter kann jedoch nicht vollständig nachvollzogen werden, weil einige der hierfür erforderlichen Informationen nicht öffentlich zugänglich seien, so das BMUB. Aus diesem Grund wurde den belgischen Behörden die Fragenliste übergeben, die von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit und der Reaktorsicherheitskommission im Auftrag des BMUB erarbeitet wurde. Das Bundesumweltministerium hatte die GRS und die RSK beauftragt, die veröffentlichten Unterlagen der belgischen Atomaufsichtsbehörde zur Wiederinbetriebnahme der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 auszuwerten.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2016