27.07.2016, 11:56 Uhr

Solarworld-Tochter soll 793 Millionen Dollar zahlen

Bonn - Im Rechtsstreit mit dem US-Siliziumlieferanten Hemlock sieht es nicht gut aus für eine deutsche Solarworld-Tochter. Nun hat der zuständige US-Richter in einem erstinstanzlichen Urteil der Klage Hemlocks in Höhe von 585 Mio. US-Dollar zuzüglich 208 Mio. US-Dollar Zinsen stattgegeben. Dennoch hält Solarworld-Konzern das Risiko für gering.

Bei dem Rechtsstreit zwischen Hemlock Semiconductor Corp. und der Solarworld Industries Sachsen GmbH, einer Tochtergesellschaft der Solarworld AG, folgte der Richter der Forderung von Hemlock. Demnach wäre eine Schadensersatz-Zahlung in Höhe von 793 Mio. US-Dollar (umgerechnet etwa 720 Mio. Euro) fällig. Die Solarworld-Aktie fällt spürbar, auch wenn der Konzern nicht an eine Durchsetzbarkeit des Urteils glaubt.

Solarworld-Tochter wird Rechtsmittel einlegen

Solarworld kündigte an, dass die Solarworld Industries Sachsen GmbH mit Sitz im thüringischen Freiberg, gegen dieses erstinstanzliche Urteil Rechtsmittel beim Intermediate Court of Appeals in den USA einlegen wird. Solarworld rechnet in diesem Verfahren in der zweiten Instanz mit einer Dauer von rund einem Jahr.

Trotz des erstinstanzlichen Urteils geht der Bonner Solarkonzern von einer nicht bestehenden Durchsetzbarkeit von Ansprüchen seitens Hemlock in Deutschland aus. Gegen die zugrunde liegenden Lieferverträge würden nach europäischem Recht kartellrechtliche Bedenken bestehen. Hemlock müsste zur Vollstreckung eines etwaigen endgültigen US-Urteils in Deutschland ein Anerkennungsverfahren nach der Zivilprozessordnung vor deutschen Gerichten initiieren. Ein solches Verfahren setze jedoch zunächst eine rechtskräftige – d.h. letztinstanzliche – Entscheidung aus den USA voraus.

Solarworld glaubt nicht an Durchsetzbarkeit des Urteils – Aktie verliert

Im Rahmen eines solchen Verfahrens würde die Einhaltung wesentlicher Grundsätze des deutschen Rechts bei der Urteilsfindung überprüft werden, so Solarworld weiter. Nach gefestigter Auffassung in der Rechtsprechung gelte das EU-Kartellrecht als wesentlicher Grundsatz der deutschen Rechtsordnung. Der amerikanische Einzelrichter habe sich mit der Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts ausdrücklich nicht beschäftigt und explizit darauf hingewiesen, dass dieser Aspekt im weiteren Prozessverlauf vor anderen Gerichten zu überprüfen sein werde. Daher sei Solarworld davon überzeugt, dass ein solches Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann. Die Risikoeinschätzung der Solarworld AG habe sich somit nicht geändert. Laut dem Konzernbericht wird dieses Risiko als "gering" eingestuft.

Asbeck: Hemlock-Forderung ist absurd

Frank Asbeck, Vorstandsvorsitzender der Solarworld AG, kommentierte: "Die Forderung von Hemlock ist absurd. Schon die von uns bereits an den Siliziumlieferanten geleisteten Anzahlungen in Höhe von etwa 100 Millionen US-Dollar übertreffen einen etwaigen Ausfall. Darüber hinaus ist eine Durchsetzung der Klageforderung in Deutschland schon aufgrund des europäischen Kartellrechtes nicht möglich. Da wir an all unseren Produktionsstandorten unter Vollauslastung arbeiten, stellen wir weltweit neues Personal ein. Deshalb ist es bedauerlich, dass der Hemlock-Prozess zu Verunsicherung führt. Unsere Risikoeinschätzung hat sich nicht geändert, zumal wir uns mit Hemlock in fortlaufenden Gesprächen befinden."

Die Aktionäre scheinen jedoch nicht vollständig beruhigt zu sein. Die Solarworld-Aktie fällt im Handel am Mittwoch bislang um 6,4 Prozent auf 4,69 Euro (Stand 11:28 Uhr, Börse Stuttgart).

Quelle: IWR Online

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