10.11.2016, 11:40 Uhr

Neue Pumpspeicher-Kraftwerke arbeiten auf dem Meeresboden

Frankfurt - Normale Pumpspeicherkraftwerke nutzen den Höhenunterschied zwischen einem Stausee und dem Kraftwerk aus. Bei Naturschützern ist diese Art der Stromerzeugung wegen des Eingriffs in die Natur unbeliebt. Forscher haben eine neue Art von Unterwasser-Pumpspeichern entwickelt und testen diese im Bodensee.

Ausgangspunkt für die Erfindung der Unterwasser-Pumpspeicher von zwei Physik-Professoren der Universität Frankfurt und der Universität Saarbrücken. Die Kernfrage war, wie die Strommengen aus Offshore-Windparks bei Bedarf vor Ort zwischengespeichert werden können. Nun geht nach mehrjähriger Forschungsarbeit das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Projekt StEnSea (Stored Energy in the Sea) in die Erprobungsphase.

Unterwasser-Pumpspeicherkraftwerk nutzt hohen Wasserdruck

Im Rahmen des Projektes entwickelt das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel die Erfindung der Physik-Professoren zur Anwendungsreife. Es handelt sich um Pumpspeicherkraftwerke, die auf dem Meeresboden installiert werden. Ein Modell im Maßstab 1:10 mit rund drei Metern Durchmesser ist in Überlingen, nahe Konstanz, in 100 Meter Tiefe abgelassen worden. Die Testphase dauert vier Wochen.

Horst Schmidt-Böcking, emeritierter Professor der Universität Frankfurt: „Auf dem Meeresboden installierte Pumpspeicherkraftwerke können in großen Wassertiefen den hohen Wasserdruck nutzen, um mit Hilfe von Hohlkörpern Stromenergie speichern zu können.“ Die Energie wird gespeichert, indem der erzeugte Strom über eine Elektropumpe Wasser aus einer Kugel herausgepumpt. Zu einem späteren beliebigen Zeitpunkt strömt dieses Wasser durch eine Turbine in die leere Kugel hinein und erzeugt über einen Generator Strom. Dieses Prinzip der Offshore-Energiespeicherung hat Schmidt-Böcking im Jahr 2011 mit seinem Kollegen Dr. Gerhard Luther von der Universität Saarbrücken zum Patent angemeldet.

Weltweites Speicherpotenzial in den Meeren

IWES-Bereichsleiter Jochen Bard forscht seit vielen Jahren national und international auf dem Gebiet der Meeresenergie: „Mit den Ergebnissen des Modellversuchs wollen wir zunächst geeignete Standorte für ein Demonstrationsprojekt in Europa genauer untersuchen. Für den Demonstrationsmaßstab des Systems streben wir einen Kugeldurchmesser vor 30 Metern an. Das ist unter ingenieurtechnischen Randbedingungen die derzeitige sinnvolle Zielgröße. Sicher ist, dass das Konzept erst ab Wassertiefen von ca. 600 - 800 Metern im Meer wirtschaftlich anwendbar sein wird.

Die Speicherkapazität steigt bei gleichem Volumen linear mit der Wassertiefe und beträgt für eine 30 m-Kugel bei 700 Metern ungefähr 20.000 Kilowattstunden (kWh).“ Bard sieht ein großes Potential für die Anwendung von Meerespumpspeichersystemen in küstennahen Standorten, insbesondere auch vor den Küsten bevölkerungsdichter Regionen. Weltweit spricht der Wissenschaftler von einer elektrischen Gesamtspeicherkapazität von 893 Mio. kWh. „Damit ließen sich kostengünstig wichtige Ausgleichsbeiträge für die schwankende Erzeugung aus Wind und Sonne leisten“, so Bard.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2016