16.03.2017, 08:05 Uhr

Streit um Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte

Berlin – Die Bundesregierung will die vermiedenen Netznutzungsentgelte abschaffen. Nicht nur die Betreiber von dezentralen KWK-Anlagen sind betroffen, die Streichung lässt paradoxerweise auch die EEG-Umlage für die Stromverbraucher weiter ansteigen. Doch Widerstand kommt aus der Wirtschaft sowie den Bundesländern.

Die Bundesregierung hat den Entwurf für das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) auf den Weg gebracht, das unter anderem die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte beinhaltet. Dabei handelt es sich um den Wert des dezentral erzeugten Stroms, der wegen der Erzeugung und des Verbrauchs direkt vor Ort die großen Überlandleitungen nicht belastet. Eine Streichung führt bei erneuerbaren Energieanlagen dazu, dass fehlende Einnahmen in Milliardenhöhe das Umlagekonto nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) negativ belasten. Bei den KWK-Anlagen sind die Betreiber direkt betroffen, da die vermiedenen Netzentgelte als direkte Vergütung ausbezahlt werden.

Bundesregierung: Dezentrale Einspeisung wird zunehmend nicht mehr vor Ort "verbraucht"

Durch das NEMoG sollen die vermiedenen Netzentgelte durch Änderungen insbesondere des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) langfristig abgeschafft werden. Zur Begründung für dieses Ansinnen heißt es, dass dezentrale Einspeisung zunehmend nicht mehr vor Ort "verbraucht", sondern der Strom über die vorgelagerten Netzebenen in den Markt gebracht werde. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die vermiedenen Netzentgelte schrittweise bis zum Jahr 2030 entfallen. Doch der Bundesrat hat gegen diesen Gesetzentwurf gestimmt und für eine Differenzierung plädiert. Einer Abschaffung dieses Postens bei volatilen dezentralen Erzeugungsanlagen wie Wind- und Solarstromanlagen stimme man zu. Bei Anlagen, die in Form von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) betrieben werden, favorisieren die Länder für die Beibehaltung der vermiedenen Netzentgelte.

Verbände erleichtert über Bundesratsveto zu vermiedenen Netzentgelten

Die Bundesratsentscheidung befürwortet der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V. (B.KWK). Der B.KWK lehnt die Abschaffung der vermiedenen Netznutzungsentgelte für KWK-Anlagen ab, weil dezentrale Erzeugung in flexiblen KWK-Anlagen netzentlastend und kostensenkend wirke. Ähnlich positiv wird der Bundesratsbeschluss beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gesehen. Mit der Entscheidung erkenne der Bundesrat die Netzdienlichkeit dezentraler steuerbarer Anlagen, insbesondere von KWK-Anlagen, an.

Bundesregierung treibt die EEG-Umlage für Stromverbraucher weiter hoch

Die Pläne der Bundesregierung entlasten die Netzkosten, belasten aber gleichzeitig das Umlagekonto nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Zu den EEG-Einnahme-Posten zählen auch die vermiedenen Netzentgelte. Diese Einnahmen beliefen sich im Jahr 2016 auf etwa 880 Mio. Euro (2015: rd. 820 Mio. Euro). Dieser Einnahmeposten auf dem EEG-Konto soll durch das NEMoG stufenweise und ersatzlos gestrichen werden. Die fehlenden Einnahmen könnten am Ende auf über eine Milliarde Euro jährlich steigen. Diesen Fehlbetrag müssen die Stromverbraucher durch die Zahlung einer höheren EEG-Umlage wieder ausgleichen.

Wie die EEG-Umlage funktioniert

Die EEG-Umlage für den Ökostrom ist keine Förderung oder Subventionierung aus Staats- bzw. Steuermitteln. Tatsächlich funktioniert das Prinzip der EEG-Umlage wie ein Fonds mit Einnahmen (u.a. Verkauf des Ökostroms an der Börse, Einnahmen durch vermiedene Netzentgelte) und Ausgaben (Vergütungszahlungen an die Anlagen-Betreiber). Der Öko- oder Grünstrom muss zwangsweise an der Börse als "Graustrom" verkauft werden, die Einnahmen werden auf das privatwirtschaftliche EEG-Konto eingezahlt. Auch der Anteil der vermiedenen Netzentgelte in fast Milliardenhöhe schlägt auf der Einnahmeseite positiv zu Buche. Steigen die Strompreise an der Börse (Spotmarkt) beispielsweise wegen des Ausfalls von Kraftwerken oder hoher Nachfrage aus dem Ausland, sinkt die EEG-Umlage und umgekehrt. Der Wegfall der vermiedenen Netzentgelte führt zu jährlich sinkenden Einnahmen in Milliardenhöhe. Der Fehlbetrag bzw. die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben ist die EEG-Umlage.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2017