15.05.2017, 08:13 Uhr

Schweizer bezweifeln Sicherheit der Atom-Rücklagen

Zürich – In der Schweiz müssen die Atomkonzerne regelmäßig Geld in zwei staatlich überwachte Fonds zur späteren Finanzierung des Atom-Rückbaus zahlen. Damit soll das Geld im Insolvenzfall dem Zugriff der Unternehmen entzogen werden. Experten halten die Summen allerdings für zu gering und warnen vor Lasten für die Steuerzahler.

Die schweizerischen Betreiber von Atomkraftwerken (AKW) zahlen in jeweils einen staatlich kontrollierten Fonds zur Stilllegung der Meiler und zur Entsorgung des Atommülls ein (Stilllegungs- und Entsorgungsfonds). In einer aktuellen Analyse bezweifeln der Ökonomen Kaspar Müller vom Öko-Institut aus Darmstadt sowie die Schweizerische Energie-Stiftung SES nun, dass die Beträge ausreichen werden.

Zweifel an der Bonität der AKW-Betreiber

Die Experten weisen auf mehrere Mängel hin, die aus ihrer Sicht in der Kostenprognose aus der "Kostenstudie 2016" sowie in der darauf basierenden Beitragsberechnung gemäß der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung bestehen. Auf beiden Ebenen würden einseitig die Interessen der AKW-Betreiber und nicht der Steuerzahler geschützt.

Der Ökonom Kaspar Müller kritisiert unter anderem, dass die „Kostenstudie 2016“ nicht ergebnisoffen erstellt und das Vorsichtsprinzip ignoriert worden sei. „Überall werden ideale Szenarien angenommen, während insbesondere die finanziellen Risiken ausgeblendet werden“, so Müller. Zudem werfe die desolate finanzielle Lage der AKW-Betreiber die Frage auf, ob und wie lange sie noch in der Lage sind, die Beiträge an die beiden Fonds zu leisten. Die SES bemängelt mit Blick auf die Bonität der Betreiber vor allem die hohen Kostensteigerungen in den Kostenstudien über die letzten 15 Jahre. Setzen sich diese fort, würden Nachzahlungen in Milliardenhöhe nötig, so die Energiestiftung.

Kritik: Kostenstudie ist best-case-ähnliche Betrachtung

Stefan Alt, Geologe am Öko-Institut, hat vor allem die Kostenprognose für den Bau des geologischen Tiefenlagers unter die Lupe genommen. „Das Projekt ist auf über 100 Jahre ausgelegt. Doch zahlreiche Ungewissheiten wie das Ausscheiden eines Standorts oder geologische Risiken werden kostenseitig kaum betrachtet.“ Auch die bereits heute abschätzbaren Kosten seien für Außenstehende nicht ausreichend zu beurteilen, da die Kostenstudie trotz verbesserter Struktur nicht die erforderliche Tiefe aufweise.

Die „best-case-ähnliche Betrachtung“ ist aus Sicht der SES auch in der Terminplanung zu finden. Bei einer realistischen Terminplanung zeigen die Szenarien der SES einen zusätzlichen Zeitbedarf von 38 Jahren gegenüber dem offiziellen Zeitplan. SES-Projektleiter Nils Epprecht fordert daher ein Umdenken: „Für einen Pionierbau wie das Endlager kann man nicht einfach wie beim Hausbau vorgehen. Es braucht eine Betrachtung in Szenarien, auch kostenseitig.“

Basler Nationalrat sieht dringenden Handlungsbedarf – SES fordert doppelte Beiträge

„Die Stilllegung der AKW steht bevor“, unterstreicht Beat Jans, Stiftungsratspräsident der SES und Basler Nationalrat den dringenden Handlungsbedarf. „Nicht nur, dass wir noch kein Lager für den radioaktiven Abfall haben, auch deren Kosten bleiben ein Buch mit sieben Siegeln."

Die SES fordert deshalb für den Bereich der Entsorgung einen Sicherheitszuschlag im Sinne eines Puffers von 100 Prozent bei den Fondsbeiträgen. Dazu hat sie 20 Forderungen an den Bundesrat der Schweiz sowie an das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) ausgearbeitet, um die Vorgaben für die Berechnung der Beitragshöhe anzupassen.

Quelle: IWR Online

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