23.05.2017, 09:29 Uhr

Amprion-Chef sieht Handlungsbedarf bei Netzentgelten

Dortmund/Münster – Anfang 2017 war die Initiative des damaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) zur Einführung bundesweit einheitlicher Netzgengelte gescheitert. Auch die NRW-Landesregierung zeigte sich damit zufrieden, da ein Anstieg der Netzentgelte im eigenen Bundesland drohte. Hans-Jürgen Brick, Geschäftsführer des auch in NRW tätigen Netzbetreibers Amprion, sieht im IWR-Interview allerdings Handlungsbedarf bei den Netzentgelten.

Die Netzentgelte für die Nutzung der verschiedenen Spannungsebenen des Stromnetzes sind in Deutschland regional sehr unterschiedlich. Dafür gibt es mehrere Gründe, einer wesentlicher ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier sieht nun auch der westdeutsche Übertragungsnetzbetreiber Amprion Handlungsbedarf.

Amprion-Chef Brick: Handlungsbedarf bei den Netzentgelten

„Bei den Netzentgelten sehe ich ganz klaren Handlungsbedarf“, unterstreicht Dr. Hans-Jürgen Brick, Geschäftsführer von Amprion, einer der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), im Interview mit dem IWR (erschienen im Monatsreport Regenerative Energiewirtschaft 05/2017). Die Systematik habe sich in Teilen überlebt, sei nicht mehr transparent, nicht mehr flexibel und damit auch nicht effizient, führt Brick weiter aus. Zwar ist für Brick das Ziel des Gesetzgebers, die Netzentgelte zu „modernisieren“ und „fair“ zu verteilen richtig, der bisher eingeschlagene Weg aber falsch.

Eine pauschale Vereinheitlichung wird aus Sicht des Amprion-Geschäftsführers die bestehenden Probleme nicht lösen. Denn nicht alle Bestandteile der Netzentgelte sind energiewendebedingt, so Brick. Sie bestehen zudem auch aus Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Innovationen und lägen damit in der unternehmerischen Verantwortung des jeweiligen Netzbetreibers. „Einheitliche Netzentgelte senken den Druck auf die einzelnen Netzbetreiber, ihr Netz zügig und effizient auszubauen, weil sie die unternehmerische Verantwortung verwischen“, mahnt Brick. „So steuert Deutschland in eine Energieplanwirtschaft.“

Brick will Netzentgeltsystem grundlegend reformieren

Der Amprion-Geschäftsführer steuert im IWR-Interview einen eigenen Vorschlag zur Reform der Netzentgelte bei. Statt „Flickwerk“ zu betreiben und einzelne Regionen über Gebühr zu belasten, müsse das Netzentgeltsystem als Ganzes betrachtet werden. Es sollte künftig transparenter, flexibler und effizienter werden. „Dafür brauchen wir etwas mehr Zeit als bis zu den nächsten Wahlen“, so Brick. „Nur so können wir sicher-stellen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt profitiert.“

Netzentgelte im Osten teils doppelt so hoch wie im Westen

Die Netzentgelte schwanken innerhalb Deutschlands stark, für Haushaltskunden im Bereich von unter 5 bis über 10 Cent je gelieferter Kilowattstunde (kWh). Besonders im Norden und Osten Deutschlands sind die Netzentgelte hoch. Die Gründe dafür liegen u.a. in der unterschiedlichen Netzauslastung und der Anzahl von (Groß-)Abnehmern. So sind die spezifischen Netzkosten in Ballungsgebieten geringer als in dünnbesiedelten Gegenden. Auch das Alter der Netze und damit verbunden ihr Restwert gehen in die Berechnung ein. Ein wesentlicher Punkt ist aber auch die Integration der erneuerbaren Energien. Die Netzkosten der deutschlandweiten Energiewende fallen in den historisch gewachsenen Netzregionen unterschiedlich stark an.

Thüringen startet neue Bundesratsinitiative für einheitliche Netzentgelte

Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte Ende 2016 daher im Rahmen des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes eine Initiative zur bundesweiten Angleichung der Netzentgelte gestartet, es konnte aber keine Einigung zwischen Bund und Ländern erzielt werden. Während vor allem die Ost-Ministerpräsidenten Gabriel Wortbruch vorwarfen, sah NWR-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) darin eine gute Nachricht für die NRW-Stromverbraucher. Aktuell gibt es rund um Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) eine Bundesratsinitiative zur bundesweiten Angleichung der Netzentgelte.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2017