22.11.2017, 16:55 Uhr

Dritte Windenergie-Ausschreibung: Kritikpunkte bleiben gleich

Errichtung Windenergieanlage Enercon
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Bonn/Bremerhaven/Berlin - Bei den Ausschreibungen für die Windenergie in Deutschland hakt es weiter. Die Ergebnisse für die dritte Runde liegen vor und werden aus der Energiebranche und der Windindustrie für unveränderte Symptome kritisiert.

Zwar war auch die dritte Ausschreibungsrunde deutlich überzeichnet und hat erneut einen geringeren Gebotswert für den Windstrom gebracht. Doch erneut kamen wieder fast ausschließlich Bürgerenergie-Projekte zum Zuge, womit erhebliche Unsicherheiten für die Marktentwicklung im Windsektor verbunden sind.

60 von 61 bezuschlagten Projekten kommen von Bürgerenergiegesellschaften

Die dritte Windenergie-Ausschreibung an Land in Deutschland war deutlich überzeichnet: Bei einem Ausschreibungsvolumen von 1.000 Megawatt (MW) wurden 210 Gebote mit einem Volumen von 2.591 MW abgegeben. Der Wettbewerbsdruck führte weiter zu sinkenden Gebotswerten. Die Bundesnetzagentur hat 61 Geboten mit einem Gebotsumfang von 1.000,4 MW bezuschlagt, davon waren 60 Bürgerenergieprojekte. Der Zuschlagswert der Bürgerenergiegesellschaften wird nach dem Einheitspreisverfahren ermittelt und beträgt 3,82 ct/kWh. Bei dem anderen Bieter wird der Zuschlag zum individuell gebotenen Wert erteilt (2,2 ct/kWh). Damit liegt auch der durchschnittliche gewichtete mittlere Zuschlagswert bei annähernd 3,82 ct/kWh. Die meisten Zuschläge erhielten Nordrhein-Westfalen mit 17 und Brandenburg mit 16 Zuschlägen, das bezuschlagte Volumen beträgt in diesen Ländern jeweils gut 270 MW.

Nächste Ausschreibungsrunden verlangen zwingend BImSchG-Genehmigungen

Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, betont, dass die Zuschlagswerte wieder deutlich gesunken seien. Homann nennt jedoch auch problematische Entwicklungen: "Das Ergebnis bestätigt Erfahrungen aus den voran gegangenen Ausschreibungen: Es wurden fast ausschließlich Gebote von Bürgerenergiegesellschaften bezuschlagt. Diese Bieter haben nun viereinhalb Jahre Zeit für die Realisierung ihrer Projekte und haben dabei nach unserer Einschätzung positiv weiterentwickelte Anlagentechnologien und sinkende Preise bei ihren Geboten unterstellt."

Diese Ausschreibungsrunde war laut Bundesnetzagentur von Geboten ohne eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) geprägt. In den ersten beiden Ausschreibungen für Windenergie an Land im Jahr 2018 ist für eine Teilnahme das Vorliegen einer Genehmigung jedoch zwingend erforderlich.

Kommentare: Marktverzerrung und Fadenriss beim Windenergie-Ausbau

Auch die Wab als führendes Unternehmensnetzwerk für Onshore-Windenergie in der Nordwest-Region erkennt die mit der Ausschreibung verbundenen Kostensenkungen bei der Windenergie an. Doch diese Freude werde „deutlich von der wettbewerbsverzerrenden Ausgestaltung der bisherigen Ausschreibungsrunden getrübt“. Für Wab-Geschäftsführer Andreas Wellbrock eine Gefahr: „Da ein hoher Anteil des Zuschlagsvolumens erst in viereinhalb Jahren in Betrieb genommen werden muss, droht vor allem in den Jahren 2019 und 2020 ein massiver Fadenriss beim Windenergieausbau. Darüber hinaus ist völlig unklar, wie viele der Bürgerenergieprojekte überhaupt genehmigt und damit gebaut werden.“

Ähnliche Kommentare sind beim VDMA Power Systems zu vernehmen, der vor allem zahlreiche Windenergieanlagen-Hersteller vertritt. Die erneut hohe Zahl für Projekte ohne Genehmigung nach dem BImSchG gefährde den Ausbaupfad noch weiter. Das habe deutliche Auswirkungen auf die energiepolitischen Ziele sowie auf Unternehmen und Arbeitsplätze entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Windindustrie. „Das EEG muss dringend repariert werden, um die Energiewende fortzusetzen und die Fortschritte bei der Windenergie zu erhalten,“ so Matthias Zelinger, Geschäftsführer des VDMA Power Systems.

Kritik kommt auch auch der konventionellen Energiewirtschaft. Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), erklärt: "Das Instrument der Ausschreibung fördert den Wettbewerb, die Preise sinken - das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass wir es weiterhin mit einer Marktverzerrung durch das Bürgerenergie-Privileg zu tun haben.“ Trotz der aktuellen Verzögerungen bei der Regierungsbildung müssten die Regel-Nachbesserungen jetzt in Angriff genommen werden, fordert Kapferer.

Quelle: IWR Online

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