28.10.2021, 09:37 Uhr

Weltorganisation für Meteorologie alarmiert: Treibhausgase steigen auf neues Rekordniveau


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Genf, Schweiz / Berlin - Die Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre hat im vergangenen Jahr trotz Corona-Pandemie erneut einen Rekord erreicht, auch 2021 setzt sich dieser Trend fort. Das geht aus dem Greenhouse Gas Bulletin der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hervor, die große Hoffnungen auf die in Kürze beginnende UN-Klimakonferenz setzt.

Die WMO sieht in den jüngsten Ergebnissen zur aktuellen Entwicklung der Treibhausgasemissionen eine klare, wissenschaftliche Botschaft für die Klimaverhandlungsführer auf der anstehenden UN-Klimakonferenz COP26. Wie die Herausforderungen der für Deutschland im Jahr 2045 angestrebten Klimaneutralität bewältigt werden können, stellt eine Gruppe von mehr als 50 Forschenden in einem komplexen Szenarienreport dar. Klar wird: Um die Ziele zu erreichen, muss die neue Bundesregierung schnell handeln und viel auf den Weg bringen.

Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen gefährdet Temperaturziele des Pariser Abkommens

Im Jahr 2020 erreichte die Konzentration von Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten Treibhausgas, 413,2 Parts per Million (ppm) und lag damit bei etwa 149 Prozent des vorindustriellen Niveaus (278 ppm). Auch die Konzentration weiterer Treibhausgase wie Methan (CH4) oder Lachgas (Distickstoffoxid, N2O) lag weit über dem Niveau von 1750. Obwohl es einen vorübergehenden Rückgang bei den neuen Emissionen gab, hatte die Konjunkturabschwächung durch COVID-19 nach WMO-Angaben keine erkennbaren Auswirkungen auf die Entwicklung der Wachstumsraten der Treibhausgaswerte.

Angesichts der langen Lebensdauer von CO2 werde das bereits beobachtete Temperaturniveau noch mehrere Jahrzehnte anhalten, selbst wenn die Emissionen rasch auf Null gesenkt werden. Neben dem Temperaturanstieg bedeute dies eine Zunahme von Wetterextremen wie starker Hitze und Regenfällen, Eisschmelze, Anstieg des Meeresspiegels und Versauerung der Ozeane, begleitet von weitreichenden sozioökonomischen Auswirkungen, so die WMO in ihrem Treibhausgas-Bulletin. Zudem sieht die WMO die Gefahr, dass die Fähigkeit von Landökosystemen und Ozeanen, als „CO2-Senken" einen stärkeren Temperaturanstieg abzupuffern, in Zukunft abnehmen könnte.

"Bei der derzeitigen Steigerungsrate der Treibhausgaskonzentrationen werden wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts einen Temperaturanstieg erleben, der weit über die im Pariser Abkommen festgelegten Ziele von 1,5 bis 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau hinausgeht", warnt WMO-Generalsekretär Prof. Petteri Taalas mit Blick auf die am 31. Oktober 2021 im schottischen Glasgow beginnende UN-Klimakonferenz COP26 vor den Konsequenzen einer solchen Entwicklung.

Klimaneutralität 2045 – Das zeigt der erste Modellvergleich für Deutschland

Der Frage, wie die Herausforderungen bewältigt werden können, die für Deutschland mit der angestrebten Klimaneutralität bis 2045 verbunden sind, gehen mehr als 50 Forschende aus mehr als 10 Instituten im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projektes Ariadne nach. Um Deutschland in weniger als 25 Jahren klimaneutral zu machen, muss die nächste Bundesregierung sehr schnell sehr viel auf den Weg bringen, so die Wissenschaftler mit Blick auf den Ariadne-Szenarienreport, der Transformationspfade zur Klimaneutralität 2045 erstmals im Modellvergleich analysiert. Demnach müsste die Stromerzeugung aus Wind und Sonne bis 2030 etwa 50 Prozent höher sein, als bislang angepeilt. Der Ausstieg aus der zunehmend unwirtschaftlichen Kohle würde auf einem Kurs zur Klimaneutralität bereits um 2030 erfolgen. Erhebliche zusätzliche Kraftanstrengungen seien notwendig, um die Sektorziele für Industrie, Gebäude und Verkehr zu erreichen.

„In der Politik wird oft noch unterschätzt, wie tiefgreifend der notwendige Umbau zur Klimaneutralität 2045 ist“, so Gunnar Luderer, Vize-Leiter des Ariadne-Projekts am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK. „Klimaneutralität erreicht man nicht von heute auf morgen, deshalb müssen schon zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wichtige Entscheidungen getroffen werden. Denn es gibt kaum kurzfristige Spielräume, um auf den Weg zu bringen, was in ein paar Jahren greifen soll - allem voran ein massiv beschleunigter Ausbau von Wind- und Sonnenergie. Fest steht: Scheitern wir am Meilenstein des Klimaziels 2030, werden wir wohl auch 2045 nicht klimaneutral sein“, so Luderer weiter.

Vor allem die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele für Gebäude und Verkehr werden im Modellvergleich trotz einer deutlichen Beschleunigung des Tempos der Emissionsminderungen in vielen Szenarien nicht eingehalten. „Um den Gebäudesektor auf Kurs zur Klimaneutralität zu bringen, zeigt der Modellvergleich die Notwendigkeit eines konsequenten Energieträgerwechsels und einer Steigerung von Sanierungsrate und Sanierungstiefe auf“, erläutert Christoph Kost, Co-Leiter des Ariadne-Arbeitspakets Wärmewende am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.

Im Verkehrssektor zeigt der Modellvergleich die größte Diskrepanz zwischen Transformationspfaden und Sektor-Zielsetzung. „In dieser Dekade müssen wir bedeutende Schritte in der Antriebswende gehen“, so Florian Koller, Leiter des Ariadne-Arbeitspakets Verkehrswende am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR. Das kurzfristige Potenzial der reinen Antriebswende sei jedoch durch lange Verweildauern der vorhandenen Verbrenner im Bestand begrenzt. Ohne zusätzliche Maßnahmen könnten die Sektorziele 2030 nicht erreicht werden, mit zusätzlichen Maßnahmen nur schwer. „Es braucht unter anderem auch Änderungen des Mobilitätsverhaltens, wie den Umstieg auf andere Verkehrsmittel“, so Koller weiter.

Quelle: IWR Online

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