20.11.2017, 12:01 Uhr

Jamaika-Sondierungen gescheitert

Angela Merkel, Kabinett, Bundesregierung
© Bundesregierung/Kugler

Berlin/Münster – Die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene haben mit dem Rückzug der FDP in der Nacht zu Montag ein krachendes Ende gefunden. Während Union und Grüne eine Einigung nach vierwöchigen Verhandlungen in Reichweite sahen, vermisst die FDP „Trendwenden“. Dabei führt sie auch die Energiepolitik ins Feld.

Gegen kurz nach Mitternacht trat FDP-Chef Christian Lindern mit den Worten „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ vor die Presse und erklärte damit die Verhandlungen für ein erstes Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen auf Bundesebene für beendet. Vertreter von Union und Grünen zeigen enttäuscht und irritiert – eine Einigung sei greifbar gewesen.

FDP sieht keine Vertrauensbasis für eine Zusammenarbeit

Die FDP begründet den Verhandlungs-Ausstieg mit einer mangelnden Vertrauensbasis und einer fehlenden Vorstellung von der Modernisierung des Landes. „Nach Wochen liegt heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor“ so Lindner, der den „Geist des Sondierungspapiers“ nicht verantworten könne. Zwar sei klar gewesen, dass seine Partei mit knapp elf Prozent „nicht einer ganzen Republik den Kurs vorgeben“ könne, allerdings seien die von der FDP geforderten „Trendwenden“ nicht erreichbar gewesen.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer konkretisierte dies später auf Twitter. So habe es keine Einigung beim Solidaritätszuschlag und beim Bildungsförderalismus sowie keine angemessenen Einwanderungsregeln gegeben. Stattdessen eine „ideologische Energiepolitik, die Deutschland deindustrialisert hätte“.

Union sah die Gespräche auf einem guten Weg

Die CDU-Vorsitzende und geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte nach dem Ende der Verhandlungen ihr Bedauern aus, dass keine gemeinsame Lösung gefunden wurde. „Wir glauben, dass wir auf einem Pfad waren, auf dem wir hätten eine Einigung erreichen können“, so Merkel. Aus Perspektive der Union sei bereits viel erreicht worden, auch bei den schweren Fragen, wie bei den Erwartungen der Grünen beim Klimaschutz. Auch beim Thema Migration, bei der es die großen Unterschiede nicht mit der FDP gegeben hätte, hätte eine Lösung mit den Grünen gefunden werden können, so Merkel.

Die Union habe alles Menschenmögliche getan, um stabile Regierung zu bilden, betont auch CSU-Chef Horst Seehofer. „Es ist schade, dass es nicht gelungen ist, dies zu Ende zu führen, was zum Greifen nah war“, so Seehofer.

Grüne sahen Fortschritte bei zentralen Themen – taktisches Kalkül der FDP?

Auch die Grünen stellen heraus, dass man nach in der Sache harten Verhandlungen auf dem Weg zu einer Einigung war. „Jamaika ist gescheitert, obwohl eine Einigung möglich gewesen wäre“ so ein Statement der grünen Spitzenkandidaten Kathrin Göring-Eckart und Cem Özdemir. Zwar hätte man an wenigen Punkten am Schluss noch auseinander gelegen, doch auch da wäre man in Kürze zusammengekommen, zeigt sich Göring-Eckart überzeugt. Bei zentralen Themen läge man bereits näher aneinander als gedacht.

Der FDP unterstellen die Grünen, das Scheitern der Gespräche bereits seit längerem geplant zu haben. „Wir waren für eine Verständigung bis zur letzten Sekunde bereit. Aber ein Partner hatte sie offenbar schon länger nicht mehr“, so Özdemir. Laut dem früheren Bundesvorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikhofer, hatte die FDP bereits eine Presseerklärung über den Abbruch der Gespräche abgegeben, bevor sich Linder aus der Spitzenrunde verabschiedete.

Medien: Einigung beim Klimaschutz und in der Flüchtlingspolitik absehbar

In den mehrwöchigen Koalitionsverhandlungen hatten sich zu Ende der selbstgesteckten Einigungsfrist am Wochenende nach Medienberichten Kompromisslösungen abgezeichnet. Demnach waren sich Grüne, Union und FDP bei dem über Wochen strittigen Thema der Klimapolitik nähergekommen. Union und FDP waren den Grünen bei der Abschaltung alter Kohlekraftwerke entgegengekommen.

Zuletzt ging es im Kern noch um die Migrations- und Flüchtlingspolitik, wo die Hauptkonfliktlinie zwischen CSU und Grünen verlief. Ein Streitpunkt ist der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Wie die Süddeutsche Zeitung am Sonntagmorgen berichtete, habe die FDP jedoch zuletzt hier und bei anderen Themen häufig eine härtere Linie vertreten, wenn die Union den Grünen entgegenkommen wollte. Die Unterhändler seien irritiert gewesen, dass die FDP versuche, die CSU rechts zu überholen.

Quelle: IWR Online

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