Mitteilung der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts -12/95-Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) |
Mitteilung Das Landgericht Karlsruhe hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage
vorgelegt, ob die gesetzliche Festlegung der Vergütung für erneuerbare
Energien verfassungsgemäß ist. Die 1. Kammer des Zweiten Senats
des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluß vom 9. Januar 1996
diese Vorlage für unzulässig erklärt. Das Landgericht Karlsruhe geht davon aus, daß die Regelung wegen
eines Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen
Sonderabgabe verfassungswidrig ist. In der Begründung des Beschlusses
des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Januar wird ausgeführt, daß
die Überzeugung des Landgerichts von der Verfassungswidrigkeit der
Norm hätte näher dargelegt werden müssen. Insbesondere hätte
die Anwendung des verfassungsrechtlichen Maßstabs für die Sonderabgabe
auf die fragliche Vergütungsregelung eingehender begründet werden
müssen. Nachdem die Vorlage damit bereits als unzulässig angesehen wurde,
war eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der
Norm nicht mehr Gegenstand des Beschlusses. (Beschluß vom 9. Januar 1996 - 2 BvL 12/95 -) Karlsruhe, den 17. Januar 1996 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 2 BvL 12/95 - In dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob §
3 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus
erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz)
vom 7. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 2633), zuletzt geändert
durch Artikel 5 Nummer 2 des Gesetzes zur Sicherung des Einsatzes von Steinkohle
in der Verstromung und zur Änderung des Atomgesetzes und des Stromeinspeisungsgesetzes
vom 19. Juli 1994 (Bundesgesetzblatt I Seite 1618), insoweit verfassungswidrig
ist, als bestimmt wird, daß die Vergütung für Strom aus
Wasserkraft mindestens 80 vom Hundert des Durchschnittserlöses je
Kilowattstunde aus der Stromabgabe von Elektrizitätsversorgungsunternehmen
an alle Letztverbraucher beträgt - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts Karlsruhe
vom 29. September 1995 (2 0 176/95) - hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Böckenförde, Kirchhof, Sommer gemäß §
81a des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. Januar 1996
einstimmig beschlossen: Die Vorlage ist unzulässig. Gründe: A. Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 3 Abs. 1
Satz 1 des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren
Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz - StrEG
-) insoweit verfassungswidrig ist, als die Vergütung für Strom
aus Wasserkraft auf mindestens 80 v.H. des Durchschnittserlöses je
Kilowattstunde aus der Stromabgabe von Elektrizitätsversorgungsunternehmen
an alle Letztverbraucher festgesetzt ist. I. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Einspeisung von Strom
aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz vom 7. Dezember
1990 (BGBl I S. 2633), zuletzt geändert durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes
zur Sicherung des Einsatzes von Steinkohle in der Verstromung und zur Änderung
des Atomgesetzes und des Stromeinspeisungsgesetzes vom 19. Juli 1994 (BGBl
I S. 1618), hat folgenden Wortlaut: "Die Vergütung beträgt für Strom aus Wasserkraft,
Deponiegas und Klärgas sowie aus Produkten oder biologischen Rest-
und Abfallstoffen der Land- und Forstwirtschaft sowie der gewerblichen
Be- und Verarbeitung von Holz mindestens 80 vom Hundert des Durchschnittserlöses
je Kilowattstunde aus der Stromabgabe von Elektrizitätsversorgungsunternehmen
an alle Letztverbraucher." § 2 StrEG lautet: "Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind verpflichtet,
den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien
abzunehmen und den eingespeisten Strom nach § 3 zu vergüten." II.
Nach seiner Überzeugung verstößt § 3 Abs. 1 Satz
1 StrEG gegen die verfassungsrechtlichen Grenzen für die Zulässigkeit
einer Sonderabgabe (Art. 105, 110 GG). Die für die Einführung
einer Sonderabgabe entwickelten verfassungsrechtlichen Schranken seien
auch auf die vorliegende Vergütungsregel zu übertragen. Zwar
habe der Gesetzgeber die beabsichtigte Subventionierung der Erzeuger regenerativer
Energiequellen formal nicht als Sonderabgabe ausgestattet, da es an der
Zwischenschaltung eines Sonderfonds fehle. Die Heranziehung einzelner Gruppen
von Bürgern oder Unternehmen zur Finanzierung bestimmter öffentlicher
Aufgaben sei aber nach materiellen Kriterien und nicht nach der vom Belieben
des Gesetzgebers abhängigen rechtstechnischen Ausgestaltung und Bezeichnung
zu beurteilen (unter Hinweis auf BVerfGE 55, 274 <305, 307>; 67,
245 <276>). Durch die Verbindung der Vergütungsregelung mit
der Abnahmepflicht in 2 StrEG erhalte die vom Gesetz genannte Gruppe von
Stromerzeugern durch die Energieversorgungsunternehmen eine finanzielle
Unterstützung, die sich weder in ihrer Belastungswirkung für
die Verpflichteten noch in ihrer Förderwirkung für die Begünstigten
von einer Subventionierung unterscheide, die über einen Sonderfonds
abgewickelt würde. Für die von § 3 StrEG betroffenen Unternehmen
mache es sachlich keinen Unterschied, ob sie zur Förderung der Stromerzeugung
aus regenerativen Energien dadurch in die Pflicht genommen würden,
daß sie eine Abgabe an einen Fonds zu zahlen hätten, aus dem
an- schließend die Subventionen flössen, oder ob ein entsprechender
Förderbetrag durch eine zwingende gesetzliche Regelung von vornherein
auf die Einspeisungsvergütung aufgeschlagen werde. Auch für die
Erzeuger von Strom aus regenerativen Energien sei es gleichgültig,
ob sie die über den marktmäßigen Preis zugeflossene Förderung
sogleich von ihrem Vertragspartner oder aus einem besonderen Geldfonds
erhielten. Der Zweck des Gesetzes, im energie- und umweltpolitisch erwünschten
Umfang den Bau zusätzlicher Anlagen für erneuerbare Energien
anzuregen und die Erweiterung und den Fortbestand laufender Betriebe zu
sichern, ließe sich sowohl mit einer zwingenden gesetzlichen Regelung
über die Höhe der Einspeisungsvergütung erreichen als auch
über die Verpflichtung, eine Abgabe an einen öffentlich-rechtlichen
Sonderfonds zu zahlen. Die Vergütungsregelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 StrEG genüge
nicht den vom Bundesverfassungsgericht zuletzt in der Entscheidung zum
"Kohlepfennig" als gefestigte Rechtsprechung bezeichneten Kriterien
für die Zulässigkeit einer Sonderabgabe. Nach Überzeugung
der Kammer fehle es bereits am Erfordernis der Gruppenhomogenität.
Weiterhin fehle es an der besonderen Gruppenverantwortung für die
Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden
Aufgabe. B. Die Vorlage ist unzulässig.
Das Landgericht geht zunächst davon aus, daß der Gesetzgeber
die beabsichtigte Subventionierung der Erzeuger regenerativer Energiequellen
nicht als Sonderabgabe ausgestattet hat. Zur Begründung der seiner
verfassungsrechtlichen Prüfung zugrunde gelegten Annahme, daß
die Regelung dennoch materiell als gesetzliche Grundlage für die Erhebung
einer Sonderabgabe zu qualifizieren sei, verweist das Gericht im wesentlichen
darauf, daß die Belastungswirkung für die Verpflichteten und
die Förderwirkung für die Begünstigten aufgrund des §
3 Abs. 1 Satz 1 StrEG sich nicht von den Wirkungen unterschieden, die im
Falle einer Subventionierung üb er einen Sonderfonds eintreten würden.
Der Gesetzgeber hätte das mit der gesetzlichen Regelung verfolgte
Ziel auch durch eine Sonderabgabe erreichen können. a) Der Vorlagebeschluß enthält keine hinreichende Auseinandersetzung
mit der Frage, ob die beanstandete Regelung überhaupt als Abgabenerhebung
qualifiziert werden kann oder muß. Die Qualifizierung der Vergütungsregelung als gesetzliche Grundlage
für die Erhebung einer Sonderabgabe setzt zunächst voraus, daß
es sich bei der zu zahlenden Vergütung um eine öffentliche Abgabe
handelt. Für die rechtliche Beurteilung hätte es daher, da ein
öffentlich-rechtlicher Sonderfonds gerade nicht eingerichtet wurde,
u.a. näherer Darlegungen dazu bedurft, in welcher Weise hier eine
Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand erreicht wird und
die geschuldete Leistung deshalb als öffentliche Abgabe anzusehen
ist. Anschließend wäre im Falle der Annahme einer öffentlichen
Abgabe zu untersuchen gewesen, ob diese als Sonderabgabe zu qualifizieren
ist. Denn die Sonderabgabe stellt keinen abgabenrechtlichen Auffangtatbestand
dar, sondern einen Tatbestand mit Warnfunktion, dem bei Vorliegen seiner
Voraussetzungen rechtfertigende Kraft zukommt. Er wird neben der grundrechtlichen
Betroffenheit dadurch geprägt, daß das haushaltsflüchtige
Aufkommen dem parlamentarischen Budgetrecht entzogen und durch die Inanspruchnahme
einer Sachkompetenz die Erhebung der Abgabe von den Vorgaben der Finanzverfassung
gelöst wird (BVerfGE 91, 186 <201 ff.> m.w.N.). Eine Einordnung
als Sonderabgabe hätte daher weiterer Erörterungen zur Frage
der kompetenzrechtlichen Zugehörigkeit der Abgabenerhebung zu einer
Sachmaterie und der Haushaltsflüchtigkeit eines entsprechenden Abgabeaufkommens
bedurft. b) Das Gericht hätte sich auch mit der Möglichkeit, die Regelung
als reine Preisfestsetzung ohne abgabenrechtlichen Charakter zu begreifen,
schon aufgrund der gesetzgeberischen Gestaltung auseinandersetzen müssen,
die die Anwendung der Finanzverfassung auf den ersten Blick durchaus zweifelhaft
erscheinen läßt (so auch Arndt, RdE 1995, S. 41 <42».
Zudem ergab sich die entscheidende Bedeutung dieser Frage auch aus dem
Vorbringen der Parteien im Ausgangsverfahren, den von diesen vorgelegten
Rechtsgutachten sowie dem vom Kläger im Ausgangsverfahren vorgelegten
Urteil des Landgerichts Freiburg (Rechtsgutachten von Professor Dr. Karl
Heinrich Friauf; Rechtsgutachten von Professor Dr. Rupert Scholz; Arndt,
RdE 19951 S. 41 ff.; Urteil des Landgerichts Freiburg vom 7. September
1995 - 12 0 70/95 -). Das Gericht hätte im Rahmen der richterlichen
Überzeugungsbildung zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Norm dieses
Vorbringen sowie weitere einschlägige Erörterungen (z.B. Hucko,
RdE 1995, S. 141) eingehend würdigen müssen. c) Seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit gründet
sich auf eine Prüfung anhand von finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben.
Daß dieser Maßstab hier unabhängig von der gesetzlichen
Qualifizierung der Regelung anzuwenden ist, hat das vorlegende Gericht
ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Denn die Ausführungen des Gerichts
verkennen insoweit, daß die rechtliche Beurteilung staatlichen Handelns
zunächst die Unterscheidung zwischen dem Mittel und dem Ziel des Handelns
voraussetzt. So mögen das Ziel und auch die Belastungswirkung der
beiden Handlungsformen identisch sein, ohne daß aber allein deshalb
die für das Abgabenrecht geltenden Maßstäbe (Finanzverfassung)
unbesehen auf eine Preisregelung anzuwenden wären (zu den Maßstäben
vgl. BVerfGE 70, 1 <25 ff.>; 68, 193 <216 ff.>; zur Notwendigkeit
der Unterscheidung von Steuern und außersteuerlichen Abgaben vgl.
BVerfGE 55, 274 <304>). Eine Preisfestsetzung, welche einen Anbieter "subventioniert",
um einen Interessenausgleich zu erreichen, den die Marktbedingungen nicht
leisten können, kann zwar im Einzelfall weitgehend die gleichen Wirkungen
erzielen wie eine Sonderabgabe. Besonders deutlich mag dies wiederum dann
hervortreten, wenn eine bestimmte Leistung nur noch zu einem gesetzlich
festgesetzten Preis angeboten wird und zudem bestimmte Abnahmeverpflichtungen
hinzukommen. Dies alleine fährt aber nicht schon dazu, daß eine
entsprechende Anwendung der Art. 104 a ff. GG und ihres Ausschließlichkeitsanspruchs
zu rechtfertigen wäre (vgl. hierzu Scholz, in: Energiewirtschaftliche
Tagesfragen 1995, S. 600 ff. und insoweit zustimmend Friauf, in: Energiewirtschaftliche
Tagesfragen 1995, S. 597 ff.). Den Darlegungen des Gerichts läßt sich damit lediglich entnehmen,
daß grundsätzlich auch die Erhebung einer Sonderabgabe zur Erreichung
des hier verfolgten Zweckes in Betracht gezogenwerden kann. Es ist aber
nicht dargetan, daß es für die Frage der Verfassungsmäßigkeit
der Norm auf eine konkrete Ausgestaltung als Sonderabgabe deshalb nicht
ankäme, weil entweder hiervon unabhängig die rechtlichen Maßstäbe
für die Sonderabgabe anzuwenden wären oder aber die Regelung
auch als Preisfestsetzung ohne abgabenrechtlichen Charakter aus anderen
Gründen verfassungswidrig wäre. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. §
80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht erfüllt. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Böckenförde, Kirchhof, Sommer |
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