Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stromeinspeisungsgesetzes

Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR)

Bundesrat Drucksache 220/96(Beschluß); 14.06.96

Gesetzentwurf des Bundesrates

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz)

A. Zielsetzung

Das Stromeinspeisungsgesetz hat sich im Hinblick auf das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung erheblich zu steigern, die Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energien wesentlich zu verbessern und damit die Exportchancen der deutschen Wirtschaft zu erhöhen und die Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes wirksam umzusetzen, insbesondere hinsichtlich der Windenergienutzung, außerordentlich gut bewährt. So konnte die Leistung der in Deutschland installierten Windenergieanlagen von ca. 70 MW Ende 1990 auf ca. 1100 MW Ende 1995 gesteigert werden. Ein Kapazitätsausbau auf über 4.000 MW bis zum Jahre 2005 kann unter den geltenden Rahmenbedingungen erwartet werden. Aber auch bei anderen regenerativen Energien konnten Zuwächse erzielt werden.

Einzelne Formulierungen des Gesetzes haben sich jedoch als lückenhaft erwiesen. Die im Gesetz enthaltene Härteklausel, die verhindern soll, daß einzelne Unternehmen zu stark belastet werden, ist kaum praktikabel. Für den Fall, daß zeitweise mehr Windstrom im Versorgungsnetz von Versorgungsunternehmen erzeugt wird, als zeitgleich in dem Versorgungsgebiet an Strom verbraucht wird, fehlt bislang die ausdrückliche Festschreibung einer Abnahmepflicht für vorgelagerte Unternehmen. Für die Unternehmen der Verbundstufe ist die Härteklausel bislang nicht anwendbar. Es fehlt eine ausdrückliche Regelung für Erzeugungsanlagen in Küstengewässern.

Der vorgelegte Gesetzesentwurf zielt darauf, in diesen Bereichen präzise und praktikable Regelungen zu schaffen.

B. Lösung

Durch das Änderungsgesetz wird eine Konkretisierung der Härteklausel, eine Einbeziehung der Verbundstufe in die Härtefallregelung und eine Klarstellung im Hinblick auf die Abnahmepflicht der Elektrizitätsversorgungsunternehmen untereinander bei den Bedarf übersteigenden Strommengen aus regenerativen Energien erreicht.

C. Alternativen: Keine

D. Kosten

Durch die vorgeschlagenen Regelungen entstehen keine zusätzlichen Kosten für die öffentlichen Haushalte.

Bundesrat Drucksache 14.06.96

Gesetzentwurf des Bundesrates, 220/96(Beschluß)

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz)

Der Bundesrat hat in seiner 698. Sitzung am 14. Juni 1996 gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Der Bundesrat hat ferner die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefaßt.

Drucksache 220/96 (Beschluß) Anlage

1. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) vom 7. Dezember 1990 (BGBl. 1 S. 2633) geändert durch Gesetz vom 19. Juli 1994 (BGBl. 1 S. 1618), wird wie folgt geändert:

  1. In § 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 werden die Wörter "von Holz" durch die Wörter "von land- und forstwirtschaftlichen Produkten" ersetzt.
  2. § 2 wird wie folgt geändert:
  3. a) Der bisherige Wortlaut des § 2 wird Absatz 1

    b) § 2 Abs. 1 Satz 1 wird folgender Satz 2 angefügt: "Für Strom aus Erzeugungsanlagen, die sich nicht im Versorgungsgebiet eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens befinden, ist dasjenige Unternehmen nach Satz 1 verpflichtet, zu dessen Versorgungsgebiet die kürzeste Entfernung vom Standort der Anlage besteht."

    c) Folgender Absatz 2 wird angefügt: "(2) Soweit der nach diesem Gesetz eingespeiste Strom den zeitgleichen Strombedarf im Versorgungsgebiet des Elektrizitätsversorgungsunternehmens übersteigt, ist das vorgelagerte Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet, den übersteigenden Anteil aufzunehmen und dem erstgenannten Unternehmen hierfür die nach diesem Gesetz zu leistende Vergütung zu erstatten. Als eingespeister Strom gilt auch die Aufnahme nach Satz 1."

  4. In § 3 Abs. 1 Satz 1 werden die Wörter "von Holz" durch die Wörter "von land- und forstwirtschaftlichen Produkten" ersetzt.
  5. § 4 erhält folgende Fassung:
  6. "§ 4

    Härteklausel

    (1) Soweit die nach diesem Gesetz zu vergütenden Kilowattstunden (kWh) 5 vom Hundert der vom Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Kalenderjahr insgesamt bezogenen und selbst erzeugten kWh übersteigen, ist das vorgelagerte Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet, dem aufnehmenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Mehrkosten, die durch die diesen Anteil übersteigenden kWh entstehen, zu erstatten. Als Mehrkosten im Sinne dieses Gesetzes gilt auch der Erstattungsanspruch nach Satz 1. Ist ein vorgelagertes Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht vorhanden, so entfällt für diejenigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, bei denen die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, mit Beginn des Kalenderjahres, das auf den Eintritt dieser Voraussetzungen folgt, die Pflicht nach § 2 Abs. 1 bei Anlagen, die zu diesem Zeitpunkt in wesentlichen Teilen noch nicht errichtet waren.

    (2) Die Verpflichtungen nach den §§ 2 und 3 bestehen nicht, soweit ihre Einhaltung auch bei Anwendung der Erstattungsregelung nach Absatz 1 eine unbillige Härte darstellt. In diesem Fall gehen die Verpflichtungen auf das vorgelagerte Elektrizitätsversorgungsunternehmen über."

    Artikel 2

    Artikel 1 tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

A. Allgemein

Das geltende Stromeinspeisungsgesetz hat sich im Hinblick auf die erwünschte Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung, die Entwicklung von Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien und der damit verbundenen Energieeinsparungs- und Klimaschutzwirkung außerordentlich gut bewährt. Nach der Beurteilung der Bundesregierung hat das Gesetz "die Chancen für den Einsatz erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung außerhalb des Bereichs der Elektrizitätsversorgungsunternehmen selbst wesentlich verbessert".

Einzelne Formulierungen des Gesetzes haben sich jedoch in der Praxis als lückenhaft bzw. nicht praktikabel erwiesen.

Die zum Zwecke einer gleichmäßigeren Verteilung der insbesondere durch die Windenergie bedingten Zusatzkosten bei einzelnen, besonders betroffenen Unternehmen vorgesehene Härteklausel wurde bislang noch nicht angewendet und ist auch kaum praktikabel.

Für die Unternehmen der Verbundstufe ist die Härteklausel bislang nicht anwendbar, obwohl auch auf dieser Versorgungsstufe in Zukunft - zumindest theoretisch - nicht mehr zumutbare Belastungen eintreten könnten.

Für den Fall, daß zeitweise mehr Windstrom im Versorgungsnetz von Elektrizitätsversorgungsunternehmen erzeugt wird, als zeitgleich in dem Versorgungsgebiet Strom verbraucht wird, ist bislang nicht ausdrücklich die Abnahmepflicht für vorgelagerte Unternehmen im Gesetz festgeschrieben.

Obwohl das Gesetz in dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt, fehlt für den Bereich der Küstengewässer eine ausdrückliche Regelung. Der vorliegende Gesetzentwurf zielt darauf ab, in den vorgenannten Bereichen praktikable und präzise Regelungen zu schaffen.

B. Zu den Vorschriften im einzelnen

Zu Artikel 1 Nr. 1 und 3

Biogasanlagen, die allein Gülle verarbeiten, fallen eindeutig unter das Stromeinspeisungsgesetz. Die alleinige Gülleverarbeitung ist in der Praxis der Ausnahmefall. In der Regel werden mit einem Anteil von 20 bis 25 % auch Rest- und Abfallstoffe aus der gewerblichen Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte (z.B. Preßrückstände aus der Obstverarbeitung, Küchen- und Kantinenabfälle, Schlachthofabfälle) beigefügt. Dies ist technisch notwendig, um eine hinreichende Effizienz und Wirksamkeit des Vergasungsprozesses zu erzielen. Insofern dient diese Änderung der Klarstellung."

Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b

Für Anlagen, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, jedoch nicht im Versorgungsgebiet eines EVU's liegen, enthält das Gesetz bisher keine ausdrückliche Regelung. Durch die Neuregelung wird klargestellt, welches Elektrizitätsversorgungsunternehmen zur Aufnahme und Vergütung nach diesem Gesetz verpflichtet ist.

Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c

Hierdurch wird sichergestellt, daß der eingespeiste Strom auch dann in das öffentliche Netz aufzunehmen und zu vergüten ist, wenn das örtliche Versorgungsunternehmen für diesen eingespeisten Strom keinen Bedarf bzw. keine Absatzmöglichkeiten hat. Windstrommengen, die zeitweise oder dauernd die Absatzmöglichkeiten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens übersteigen, sind von dem vorgelagerten Elektrizitätsversorgungsunternehmen dem erstgenannten abzunehmen und die nach diesem Gesetz zu leistende Vergütung ist diesem zu erstatten.

Satz 2 regelt den Fall, daß z. B. ein regionales Unternehmen auch Strom von einem kommunalen Unternehmen nach Satz 1 abnehmen muß, dessen Anteil regenerativer Energien zeitweise die örtlichen Absatzmöglichkeiten übersteigt.

Zu Artikel 1 Nr. 4

Durch die vorgeschlagene Neufassung der Härteklausel wird sichergestellt, daß eine großräumige Verteilung der mit dem Stromeinspeisungsgesetz verbundenen Kosten erfolgt und einzelne kommunale bzw. regionale Versorgungsunternehmen nicht außergewöhnlich belastet werden. Die Vorteile der Nutzung regenerativer Energien kommen nicht nur den Menschen in den Regionen zugute, in denen diese Nutzung ganz überwiegend erfolgt, sondern der Gesamtbevölkerung.

Die in der bisherigen Härtefallregelung enthaltene Orientierung an dem von vielen wirtschaftlichen Randbedingungen abhängenden und überdies Ermessensspielräume enthaltenden Kriterium "spürbare Erhöhung der Stromabgabepreise über die Preise gleichartiger oder vorgelagerter Elektrizitätsversorgungsunternehmen" wird ersetzt durch das für alle Unternehmen gleichermaßen geltende und eindeutig zu bestimmende Kriterium "5 vom Hundert der vom Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Kalenderjahr insgesamt bezogenen und selbst erzeugten Kilowattstunden". Durch diese Neuregelung wird auch verhindert, daß solche EVU's, die trotz hoher Anteile an eingespeisten Kilowattstunden durch ansonsten besonders wirtschaftliches Handeln erreichen, daß die Strompreise vergleichsweise niedrig bleiben, gegenüber anderen EVU's benachteiligt werden.

Durch Satz 2 wird sichergestellt, daß bei der Berechnung der Grenze, ab der der Erstattungsanspruch z. B. für ein regionales Unternehmen besteht, auch die Strommengen berücksichtigt werden, für die dieses Unternehmen beispielsweise einem kommunalen Unternehmen wegen des Überschreitens der 5 vom Hundert-Grenze Erstattungen leistet.

Die vorgesehene Erstattungsregelung durch das vorgelagerte EVU ist sachgerechter als der bisher generell geltende Übergang der Abnahme- und Vergütungspflicht auf das vorgelagerte EVU, da auf diese Weise zusätzliche Leitungsbau- oder Durchleitungserfordernisse vermieden werden. Der Übergang der Aufnahme- und Vergütungspflicht auf das vorgelagerte Elektrizitätsversorgungsunternehmen wird mit § 4 Abs. 2 auf die Fälle beschränkt, bei denen die Erstattung von Teilen der Mehrkosten nach Absatz 1, insbesondere aus netztechnischen Gründen, zur Vermeidung unbilliger Härten nicht ausreicht. Ein solcher Fall kann z. B. dann eintreten, wenn bei einem kleineren EVU die eingespeiste Leistung aus regenerativen Energien die Höchstlast des Unternehmens übersteigt.

Durch die Regelung in Absatz 1 Satz 3 wird sichergestellt, daß auch die Verbundunternehmen, bei denen kein vorgelagertes Elektrizitätsunternehmen existiert, im Hinblick auf den Härtefall den anderen Unternehmen gleichgestellt werden und daß die Belastungen einzelner Verbund-Elektrizitätsversorgungsunternehmen und das mögliche Entstehen überregionaler Ungleichgewichte in einem zumutbaren Rahmen bleibt.

Der Eintritt der Härtefallvoraussetzungen bei einem Verbundunternehmen kann in der Regel erst im nachhinein festgestellt werden, wenn die abnahmepflichtigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen ihre Erstattungsansprüche geltend gemacht haben. Die Härtefallregelung sieht daher vor, daß bei Eintritt der Härtefallvoraussetzungen bei einem Verbundunternehmen vom darauffolgenden Kalenderjahr an für das Verbundunternehmen und die ihm gegenüber erstattungsberechtigten Elektrizitätsversorgungsunternehmen bei Neuanlagen die Pflicht nach § 2 Abs. 1 entfällt; Abnahmepflichten auf anderer (z. B. kartellrechtlicher) Grundlage bleiben unberührt. Damit wird zugleich Investitionssicherheit für bereits in wesentlichen Teilen errichtete Anlagen gewährleistet.

Die Härtefallregelung für die Verbundebene hat vorsorglichen Charakter. Da mit dem Eintritt des Härtefalls bei einem Verbundunternehmen erst auf mittlere Sicht gerechnet werden muß, wird es Aufgabe des Gesetzgebers sein, unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklung rechtzeitig über alternative Lösungen zu entscheiden, die die finanziellen Rahmenbedingungen für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien dauerhaft sichern.

II. Entschließung

Eine verstärkte Nutzung der Windenergie auf verläßlicher Grundlage erfordert auch eine baurechtliche Absicherung der Errichtung von Windkraftanlagen im Außenbereich. Der Bundesrat erinnert daher an seinen am 14. Juli 1995 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches, Drucksache 153/95 (Beschluß), und fordert den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung auf, ihre Beratungen hierzu noch im Vorfeld der bevorstehenden umfassenden Novellierung des BauGB zum Abschluß zu bringen, damit ein Genehmigungsstau bei der Errichtung von Windkraftanlagen verhindert wird.

e-mail an: iwr@uni-muenster.de