WKA-Markt/Deutschland

Forschungsgruppe Windenergie, Universität Münster

Perspektiven des Windkraftanlagenmarktes in Deutschland
von Norbert Allnoch

aus: Elektrizitätswirtschaft, 95 Jg., H. 15, S. 996-1000

Der Windkraftmarkt in Deutschland wächst 1995 noch einmal stark, jedoch mit
deutlichen Anzeichen eines sich verschärfenden Hersteller-Wettbewerbs. In
Anlehnung an jüngere Marktanalysen [1,2,3] wird eine aktuelle Betrachtung
des Marktes für netzgekoppelte Windkraftanlagen (WKA) vorgenommen und eine
potentielle Marktentwicklung aufgezeigt. In Analogie zu den seit 1989
regelmäßig durchgeführten Untersuchungen werden Kleinstanlagen unter 10 kW,
Eigenbauanlagen, Prototypen und Testanlagen mit zeitlich befristeter
Betriebsdauer nicht berücksichtigt.

Tab 1: Der WKA-Inlandsmarkt in Deutschland im Überblick
	Inland

	                  1995	            Veränderungen 
                                            gegenüber 1994

Anzahl WKA		1.035			+ 25,5 %
Leistung		494,7 MW		+ 61,4 %
Anbieter		28			 - 1 
Branchenumsatz		1,23 Mrd. DM		+ 52,8 %
Investition pro MW	2,5 Mio			- 10,7 %
Stromerzeugung		1,8 Mrd. kWh		+ 91,5 %
	
                      Gesamtstand Ende 1995	

Gesamtstückzahl		3.579			+ 40,7 %
Gesamtleistung		1.126,9 MW		+ 78,3 %



Mit einer installierten Windkraftleistung von 494,7 MW im Jahr 1995 (1994:
306,5) stieg die gesamte Brutto-Windkraftleistung in Deutschland (1982-1995)
von 632 MW (1994) auf nunmehr 1.127 MW. Damit liegt Deutschland im
weltweiten Vergleich nach den USA (ca. 1600 MW [4]) zwar noch weiterhin auf
Rang 2, allerdings bereits deutlich vor dem traditionellen Windenergieland
Dänemark mit rd. 610 MW [5]. 

Bezogen auf die 1995 in Deutschland installierte Gesamtleistung in Höhe von
494,7 MW wurden im abgelaufenen Jahr rd. 53 % (262,8 MW) in den
Küstengebieten (1994: 73 %) und ca. 47 % (231,9 MW) im Binnenland (1994: 27
%) errichtet. Erstmals ist damit in bezug auf die räumliche Verteilung der
1995 aufgestellten Windkraftanlagen ein deutlicher Trend zur WKA-Errichtung
im Binnenland erkennbar 

Abb. 1: Die jährlich installierte WKA-Gesamtleistung in Deutschland 


Die Ursache für diese Entwicklung ist die Tendenz zur Errichtung größerer
und leistungsfähigerer Anlagen, die sich schon im Jahr 1994 mit der
zunehmenden installierten Leistung/WKA im Binnenland abzeichnete. Die mit
den Großanlagen verbundenen geringeren spezifischen WKA-Kosten führen dazu,
daß erwartungsgemäß die für eine Projektrealisierung erforderliche
Grenzwindgeschwindigkeit kontinuierlich sinkt [3,6]. 

Die Stromerzeugung aus Wind stieg auch 1995 deutlich an. Unter
Zugrundelegung der auf den realen WKA-Energieerträgen basierenden
Betreiberstatistik [7] ergibt sich für das gegenüber 1994 vergleichsweise
windschwache Jahr 1995 eine Bruttostromerzeugung von rd. 1,8 Mrd. kWh. Die
durchschnittliche Vollastbenutzungsstundenzahl aller ganzjährig
produzierenden Windkraftanlagen liegt zwar auch im abgelaufenen Jahr in der
erwarteten Bandbreite zwischen 2000 und 2200 Stunden [6], dennoch dürfte mit
einer zunehmenden WKA-Errichtung im Binnenland der Mittelwert in den
kommenden Jahren tendenziell eher sinken.


Abb. 2: Die Entwicklung der WKA-Gesamtstromerzeugung in Deutschland


Ähnlich wie im Jahr 1994 ist auch 1995 ein anhaltender Trend zu Konvertern
der 500 kW-Klasse (400 - 600 kW Anlagen) zu verzeichnen. Die
durchschnittlich installierte Leistung stieg von 372 kW (1994) auf nunmehr
478 kW im abgelaufenen Jahr 1995. In den Küstengebieten erhöhte sich der
Zahlenwert von 438 kW auf 529 kW, während im Binnenland ein deutlicher
Sprung von 266 kW auf 431 kW zu verzeichnen ist. Mit der Verfügbarkeit von
Anlagen aus dem 1 bis 1,5 MW-Bereich dürfte jedoch in absehbarer Zeit -
ähnlich wie 1993 - eine neue Runde in bezug auf den technischen
Kompetenzwettbewerb eingeläutet werden. Mit dieser erneuten
upscaling-Entwicklung ist allerdings die Gefahr verbunden, daß potentielle
Investoren ihr Vorhaben zugunsten einer größeren Anlage zurückstellen und
dadurch der Produktlebenszyklus der 500 kW-Leistungsklasse empfindlich
verkürzt wird. Deshalb werden die meisten Hersteller vor der Markteinführung
großer Anlagen vermutlich ein Produkt-Relaunch ihrer Anlagen aus der 500
kW-Klasse vornehmen, um weniger risikofreudige Investoren zu einer
kurzfristigen Kaufentscheidung zu motivieren. 

In Deutschland scheint die Übergangsphase vom förderbedingten
Verteilungsmarkt zum Wettbewerbsmarkt endgültig abgeschlossen zu sein.
Gleichzeitig sind aufgrund der bestehenden Belastungsfaktoren im
Zusammenhang mit dem Stromeinspeisungsgesetz und der noch nicht
verabschiedeten Baurechtsänderung die ersten Anzeichen einer Marktberuhigung
spürbar. Typisch für einen Markt mit nachlassender Dynamik ist jedoch ein
zunehmender Verdrängungswettbewerb, der im Falle einer länger anhaltenden
Unsicherheitsphase den Wandel vom derzeitigen Verkäufer- zum Käufermarkt in
Deutschland deutlich beschleunigen dürfte. Die noch immer hohen Zuwächse in
bezug auf die jährlich installierte WKA-Leistung können nicht darüber
hinwegtäuschen, daß die Wachstumsrate für den umsatzrelevanteren
Stückzahlenmarkt seit 1993 kontinuierlich fällt (Abb. 3). 


Abb. 3: Die jährliche Wachstumsrate für den WKA-Stückzahlenmarkt in Deutschland

In absoluten Zahlen betrachtet wächst der Stückzahlenmarkt auch 1995 noch
von 825 (1994) auf nunmehr 1.035 Anlagen. Der nachfragebedingte und vor
allem in den Jahren 1994 und 1995 zu beobachtende Ausbau von neuen
Produktionskapazitäten hat dazu geführt, daß die führenden Anbieter im
vergangenen Jahr deutlich schneller als der Gesamtmarkt und zu Lasten
kleinerer Unternehmen wachsen konnten (Tab. 3). Letztere haben unter dem
zunehmenden Einfluß der Wettbewerbskräfte kaum am Marktwachstum
partizipieren können oder mußten gar Absatzrückgänge hinnehmen. 


Tab. 3:	Die Wachstumsrate führender Anbieter in bezug auf die
Stückzahlenentwicklug gegenüber dem Jahr 1994

Hersteller	Wachstumsrate

1. Micon	+ 82,6%
2. Enercon	+ 49,5%
3. Tacke	+ 40,8%
4. Nordtank	+ 35,1%
5. Gesamtmarkt	+ 25,5%
6. Vestas	+ 23,3%



Im Zuge des weiter voranschreitenden Oligopolisierungsprozesses führt eine
schwächere Marktposition kleinerer Unternehmen vermutlich in absehbarer
Zukunft dazu, daß die Suche nach finanzstärkeren Partnern zunehmen und eine
verstärkte Kooperationsbereit-schaft zwischen den Herstellern zu beobachten
sein wird. Allerdings steigt auch für die größeren Firmen mit der
vorgenommenen Kapzitätserweiterung zusehends das unternehmerische Risiko,
denn im Falle einer höheren Absatzvolatilität belastet der in der Regel
ebenfalls schnell mitwachsende Fixkostenblock die Anbieter. Insofern scheint
es nur konsequent, wenn die Hersteller als internationale Unternehmen
agieren und ihre Chancen im weltweiten Export suchen [8]. Während aber in
den Industrieländern die Windkraft auf einem gesättigten Markt mit den
bestehenden Kraftwerksüberkapazitäten konkurrieren muß, besteht ein
erheblicher Bedarf an elektrischer Energie in den Schwellenländern aufgrund
der oft schnell wachsenden Wirtschaft. Insofern stehen die Anbieter vor dem
Problem, einerseits mit Großanlagen die heimische Marktposition auszubauen
und andererseits mit kleineren WKA um 300 kW den Export in die
Schwellenländer mit der häufig schlechten Netzqualität und Infrastruktur zu
forcieren.

Die diesjährige Rangfolge der Anbieter in bezug auf die Marktanteile der
installierten WKA-Leistung spiegelt einerseits die Lieferfähigkeit von
Anlagen der 500 kW-Klasse und andererseits die spezielle Firmenkonjunktur
einzelner Hersteller wider. Im abgelaufenen Jahr konnte Enercon mit knapp
150 MW die Marktführerschaft in Deutschland vor Tacke (100,4 MW) behaupten.
Von Rang 5 (1994) auf Platz 3 verbesserte sich Micon mit 67,5 MW und
verdrängt damit die Fa. Vestas (58,4 MW) von dieser Position (Tab. 4). 

Tab. 4:	Die installierte Leistung sowie die Marktanteile der "Top 5" im Jahr
	1995
		Gesamt 		Küstengebiete			Binnenland
Hersteller	MW	%	Hersteller	MW	%	Hersteller	MW	%

1. Enercon	149,1	30,1	1. Enercon	65,8	25,0	1. Enercon	83,3	35,9

2. Tacke	100,4	20,3	2. Tacke	55,8	21,2	2. Tacke	44,6	19,3

3. Micon	67,5	13,6	3. Micon	38,9	14,8	3. Micon	28,6	12,3

4. Vestas	58,4	11,8	4. Vestas	35,8	13,6	4. Vestas	22,6	9,7

5. AN-Bonus	26,7	5,4	5. Nordtank	21,1	8,0	5. Wind World	11,8	5,1



In bezug auf die räumliche Differenzierung zwischen den Küstengebieten und
dem Binnenland haben sich 1995 einige Verschiebungen ergeben. Während
nunmehr die ersten vier Rangpositionen in beiden Landschaftsräumen mit denen
des Gesamtmarktes identisch sind, folgt auf der Position 5 die Fa. AN-Bonus
vor Nordtank. Die Fa. Enercon hat im letzten Jahr erstmals mehr Anlagen im
Binnenland als in den Küstengebieten errichtet. Vestas konnte sich um eine
Position auf Rang 4 verbessern, während Wind World mit einem deutlichen
Sprung von Rang 9 (1994) die "Top 5" im Binnenland erreicht.

Die Aufstellungszahlen aus dem Jahr 1995 reflektieren lediglich den
aktuellen Markt; oftmals ist jedoch die Betrachtung eines längerfristigen
Zeitraumes (1982 - 1995) aussagekräftiger (Abb. 4). Bei der installierten
Leistung rückte Tacke Windtechnik danach von Rang 3 auf Position 2 vor,
während Vestas und AN-Bonus einen Platz abgeben mußten. Im Binnenland
rutschte Nordex auf Rang 5 ab, während Fuhrländer (Rang 9) erstmals der
Sprung unter die ersten 10 Anbieter vor Südwind gelang. 

Abb. 4: Der WKA-Markt in Deutschland nach Stückzahlen und Leistung
sowie für die 
Küstengebiete und das Binnenland (1982 - 1995) Im abgelaufenen Geschäftsjahr 1995 konnte der Branchenumsatz erneut kräftig gesteigert werden. Unter Berücksichtigung der von den Herstellern angegebenen Marktpreise sowie der zu erwartenden Nebenkosten dürfte der Umsatz der Gesamtbranche im vergangenen Jahr auf rd. 1,23 Mrd. DM (Vorjahr: 800 - 810 Mio DM) gestiegen sein. Die durchschnitt-liche Bruttoinvestition pro MW Windkraftleistung sank um rd. 11 % auf 2,5 Mio DM. Mit dem gestiegenen Marktvolumen und den wachsenden Beschäftigungszahlen in der Branche gewinnt der industriepolitische Aspekt der Windenergie zunehmend an Bedeutung. Insofern belasten die aktuellen Diskussionen um das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) und die noch nicht beschlossene Baurechtsänderung (Stand: Mitte März 1996) die zukünftige Marktentwicklung in besonderem Maße. Die Elastizität der Nachfrage hängt derzeit hauptsächlich von diesen den Markt überlagernden Einflußfaktoren ab. Die Energieversorgungsunternehmen gehen trotz der nicht angenommenen Klage des Landgerichts Karlsruhe durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weiterhin von einer verfassungswidrigen Regelung aus. Das LG Karlsruhe hat sich im wesentlichen bei der Bewertung des Stromeinspeisungsgesetzes auf die EVU-Ansicht gestützt, daß die Regelung materiell wie eine Sonderabgabe zu qualifizieren sei und die Belastungs- und Förderwirkung sich nicht von den Wirkungen unterscheiden, die im Falle einer Subventionierung über einen Sonderfonds eintreten würden [9]. Demgegenüber bemängelt das BVerfG in seiner Ablehnungsbegründung, daß der LG-Vorlagebeschluß keine hinreichende Auseinandersetzung mit der Fragestellung enthält, "ob die beanstandete Regelung überhaupt als Abgabenregelung qualifiziert werden muß oder kann" [9, S. 6] bzw. ob das StrEG auch als reine Preisfestsetzung ohne abgabenrechtlichen Charakter angesehen werden könnte. (In dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des LG-Karlsruhe vom 10. Mai 1996 hält die Kammer das Stromeinspeisungsgesetz für verfassungsgemäß.) In bezug auf die Baurechtsänderung wird mit dem bisher geplanten Inkrafttreten des Gesetzes angesichts der relativ langen Projektvorlaufzeiten dem Markt zwar vermutlich mittelfristig ein neuer Schub gegeben, kurzfristig sind aber kaum entscheidende Auswirkungen zu erwarten. Der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf sieht ab 1.10.1996 eine Privilegierung der Wind- und Wasserenergie in § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB vor, allerdings verbunden mit einem umfassenden Planvorbehalt in § 35 Abs. 3 BauGB und einer auf Antrag der Gemeinden bis zum 31.12.1997 geltenden Aussetzungsoption von Baugesuchen [10]. (Am 20. Juni 1996 hat der Bundestag zwischenzeitlich die Baurechtsänderung zum 1. Januar 1997 beschlossen. Die Aussetzungsoption für Gemeinden wurde bis zum 31.12.1998 verlängert.) Für 1996 ist die Stimmung unter den Herstellern angesichts der bestehenden Schwierigkeiten und Planungsunsicherheiten gedämpft [6]. Fast 2 Jahre nach dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil dürften die Auswirkungen des Privilegierungsstops aufgrund des zeitlichen Auseinanderfallens zwischen der Erteilung der Baugenehmigung und der Projektrealisierung erst jetzt auf dem Markt wirksam werden. Entscheidende und marktrelevante Impulse, die den inländischen Markt auf den ausgeprägten Wachstumskurs der vergangenen Jahre zurückführen könnten, sind kurzfristig nicht in Sicht. Bleibt abzuwarten, ob die weitgehend politisch bedingten Belastungsfaktoren für den deutschen Markt ausgeräumt werden können. Literatur [1] Allnoch, N. (1992): Expansionskurs hält noch an. Der Markt für netzgekoppelte WKA in Deutschland. In: Energie 44, H. 10, S. 24-28. [2] Allnoch, N. (1994): Windkraftnutzung in Deutschland. Windkraftkapazität binnen eines Jahres verdoppelt. In: Windenergie Aktuell 4, H. 3, S. 16-17. [3] Allnoch, N. (1995): Entwicklung des Windkraftanlagenmarktes in Deutschland. In: Tagungsband "Deutscher Kongreß Erneuerbare Energie '95", S. 71 - 78. [4] American Wind Energy Association, AWEA (1996): pers. Mitteilung. [5] BTM-Consult (1996): pers. Mitteilung. [6] Allnoch, N. (1995): Herbstgutachten 1995/96. Zur Lage der Windkraftnutzung in Deutschland. In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 45, H. 10, S. 665 - 668. [7] Ingenieur-Werkstatt Energietechnik (Hrsg.) (1996): Betreiber-Datenbasis 1995. [8] Allnoch,N. (1995): Weltmarkt als Windsichter. In: Handelsblatt Nr. 28, S. 26. [9] Beschluß des Bundesverfassungssgerichts v. 09.01.1996 (2 BvL 12/95). [10] Bundestags-Drucksache 13/3936 v. 01.03.1996: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches. Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

e-mail an: fgwind@uni-muenster.de