WELT am SONNTAG

Sonntag, 28. April 1996

Windkraft droht Gegenwind

Deutschland ist weltweit Windkraftland Nummer zwei. Drei Viertel aller Anlagen stehen in den norddeutschen Küstengebieten Grafik

IR Hamburg. Windkraft lag 1995 bestens im Wind. 3579 aufgestellte Turbinen (ohne Kleinst-, Eigenbau- oder Testanlagen) produzierten mit 1,8 Milliarden Kilowattstunden fast doppelt soviel Strom wie im Jahr zuvor. Die Branche setzte 1,23 Milliarden Mark um und sichert mittlerweile 5000 Arbeitsplätze.
Doch nun droht Gegenwind. Norbert Allnoch, Leiter der Forschungsgruppe Windenergie an der Universität Münster: "Eine Wachstumsprognose ist unmöglich. Die Unsicherheit durch die Baurechtsänderung und das Stromeinspeisungsgesetz könnte zu einer Kettenreaktion führen und die Investoren abspringen lassen".
Zwar wird Windkraft dank größerer Anlagen und besserer Technik immer billiger - 1992/93 kostete die Installation von 300 Kilowatt rund eine Million Mark, heute 500 Kilowatt 850000 Mark und ein weiterer Schub wird von der Serienfertigung der neuen 1,5 Megawatt-Anlagen erwartet. Doch die Investition rechnet sich nur, weil die Energieunternehmen die Kilowattstunde für 17,21 Pfennig abnehmen müssen. Dagegen wehren sich besonders die Stromkonzerne an der Küste, voran die PreussenElektra. Sprecherin Petra Uhlmann:"Es geht nicht, daß 4 Prozent der Bevölkerung 70 Prozent der Lasten tragen." PreussenElektra hofft auf eine politische Lösung wie den Ausgleich aus der Staatskasse, zumal sie schneller greifen würde als der gerichtliche Weg. 
Allnoch schlägt eine Differenzierung nach Vollaststunden vor: An der Küste, wo die Anlagen länger laufen können, wird für Windstrom weniger gezahlt als im Binnenland. Allnoch:"Man muß der Windkraft zehn bis 15 Jahre geben. Dann ist der kommerzielle Durchbruch geschafft und die Zuschüsse können zurückgeführt werden." 

e-mail an: fgwind@uni-muenster.de