30.08.2013, 10:14 Uhr

Energiebedarf verdoppelt sich bis 2030: China setzt weiter auf Kohle - und auf Erneuerbare

Peking – Der größte Energiemarkt der Welt? Der größte CO2-Emittent? Der größte Kohle-Verbraucher? Auf diese Fragen gibt es eine Antowrt: China. Der Energiehunger im Reich der Mitte ist mit dem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung der letzten beiden Dekaden sprunghaft gewachsen und noch immer nicht gestillt. Die Stromerzeugungskapazität soll sich bis 2030 verdoppeln. Immerhin: Die Hälfte des Zuwachses von 1.500 Gigawatt (GW) könnte aus erneuerbaren Quellen kommen.

Anfang Juli gab der chinesische Staatsrat ein ambitioniertes Ziel vor: Bis 2015 sollen Solarmodule mit einer Kapazität von 35.000 Megawatt (MW) im Land stehen. Mit einem Handstreich hatten die Planwirtschaftler aus Peking das bisherige Ziel mal eben um 14.000 MW angehoben. Einerseits dürfte der Handelsstreit mit der EU dazu beigetragen haben, dass die üppig vorhandenen Produktionskapazitäten stärker auf den Binnenmarkt ausgerichtet werden.

Andererseits hat China als weltgrößter CO2-Emittent schon jetzt ein handfestes Umweltproblem. Die Weltbank teilte mit, dass hier 16 der 20 Städte mit der höchsten Luftverschmutzung liegen. Eine gemeinschaftliche Studie der Universität Peking und Greenpeace schätzt, dass es im Jahr 2012 in den vier größten Städten des Landes allein durch die hohe Luftverschmutzung ca. 8.500 Todesfälle gegeben hat. Der wirtschaftliche Schaden wird auf etwa eine Milliarde US-Dollar beziffert.

Sanfter Kurswechsel in der Energiepolitik

Das Reich der Mitte steht derzeit ohnehin vor wesentlichen Weichenstellungen. Klar ist: Die Werkbank der Welt soll sich sukzessive zu einer Industrienation entwickeln, die nicht nur vom Export, sondern auch vom Binnenkonsum leben kann. Mit dem steigenden Lebensstandard steigt zudem das Verlangen nach akzeptablen Lebensbedingungen – der morgendliche Spaziergang mit Mundschutz durch den Smog gehört sicherlich nicht dazu. Zugleich steigt der Energiekonsum immer weiter an, der wiederum nicht einseitig mit der im Land massig vorhandenen, aber extrem schmutzigen Kohle gestillt werden sollte.

„China hat einen Kurswechsel hin zu einer saubereren Zukunft eingeleitet“, erklärt Jun Ying, Analyst bei Bloomberg New Energy Finance. Ein grünes China werde es aber so schnell nicht geben: „Trotz signifikanter Fortschritte beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sieht es so aus, als würde Kohle bis 2030 der dominante Energieträger bleiben.“ Die Experten haben jetzt in einer Studie, die unserer Redaktion vorliegt, untersucht, wie sich Chinas Energiemarkt bis dahin verändern wird. Die Zahlen sind je nach Lesart beeindruckend oder erschreckend. In den kommenden nicht ganz zwei Dekaden soll die Leistungskapazität des Kraftwerkparks um 1.583 auf dann 2.707 GW steigen. Dieser Zuwachs ist notwendig, um das jährliche Wachstum beim Konsum von fünf Prozent abzudecken. In absoluten Zahlen entspricht dies jährlichen 88 GW oder der gegenwärtigen Gesamtkapazität von Großbritannien.

Kohle bleibt weiterhin gefragt

Die relative Bedeutung der Kohle wird dabei sinken: In dem Basisszenario von 67 Prozent in 2012 auf dann 44 Prozent. Allerdings werden im Schnitt jährlich immer noch 25 GW zugebaut. Erst 2027, so die Autoren der Studie, werde der Zenit der CO2-Emissionen überschritten. „Kohlendioxid-Emissionen und lokale, durch die Kohle verursachte Umweltprobleme wie die verschmutzte Luft werden noch zehn bis 15 Jahre anhalten - trotz des Schwenks zu saubereren Energien“, heißt es in dem Papier. Immerhin: Die Hälfte des Zubaus soll auf die Erneuerbaren Energien entfallen, die 2030 über 40 Prozent zum Energiemix beisteuern könnten. 2012 generierten Wind- und vor allem Wasserkraft bereits über ein Viertel.

Die Autoren der Studie räumen selbst ein, dass wohl keines der vier von ihnen erstellten Szenarien für die Zukunft von Chinas Energieversorgung so eintreten wird. Aber der Druck auf die stets um Harmonie besorgte Regierung wird in Zukunft wachsen. Nur welche Instrumente hat Peking, um den Umbau der Energieversorgung zu beschleunigen? Die Verteuerung von CO2-Emissionen, ob durch Zertifikate oder Steuern, werden als Möglichkeit genannt. Offen sei zudem, zu welchen Kosten – monetär und ökologisch - das Land Schiefergas mittels Fracking gewinnen könne. „Mehr Einsatz für die Erneuerbaren Energien, Erdgas und Energieeffizienz ist notwendig, wenn China seine Abhängigkeit von Kohle schneller reduzieren will“, erklärt Ying.

Insofern ist die Erhöhung der Ausbauziele für Photovoltaik vielleicht nur ein erster Schritt, auch wenn er sicherlich nicht nur aus ökologischen Motiven heraus geschehen ist. Aber was China macht, geht am Ende auch den Rest der Welt an. Michael Liebreich, CEO von Bloomberg New Energy Finance, bringt es auf den Punkt: Die Auswirkungen von Chinas wachsemden Energiehunger und des sich herauskristallisierenden Energiemixes der Zukunft würden weit über das Land hinausgehen.


© IWR, 2013