Quelle: VDI nachrichten vom 22. Juni 2001, Nr. 25, S. 2:

Standpunkt: Dr. Norbert Allnoch sieht in regenerativen Energien eine Branche, die die Arbeitsplatze für morgen schaffen wird
"Der Trend zu sauberen Energien ist ein Gewinn für die gesamte Industrie"

VDI nachrichten, Münster, 22.06.01, cf
Der ökologische Nutzen regenerativer Energien ist unbestritten. Norbert Allnoch, Leiter des Wirtschaftsforums Regenerative Energien und Autor des folgenden Beitrages, sieht in Sonne, Wind & Co. mehr: Ein Milliardengeschäft für Börse und Industrie.

Als die OPEC im vergangenen Jahr mit ihrer künstlichen Angebotsverknappung den Ölpreis deutlich über die 30 Dollar-Marke hievte, da stiegen an den internationalen Börsen schlagartig die Aktienkurse von Brennstoffzellenanbietern oder Windenergieanlagenbauern in his dahin ungeahnte Rekordhöhen. Die Börsen sind ein sensibler und nüchternfaktischer Seismograph, wenn es um Unternehmen, Märkte und Zukunftserwartungen geht. Hersteller regenerativer Energietechniken an der Börse, das war vor zehn Jahren noch ein futuristisches Szenario gewesen.
Tatsächlich wird mit der Nutzung unserer einmaligen fossilen Energieträger in einem atemberaubenden Tempo und innerhalb einer erdgeschichtlichen Sekunde ein gigantisches geophysikalisches Feuerwerk abgebrannt. Eine Kohlendioxidanreicherung durch die Verbrennung fossiler Energieträger bedeutet immer eine Erwärmung des Systems Erde-Atmosphäre-Hydrosphäre in den unteren 5 km der Gashülle. Obwohl noch nicht alle Wechselwirkungen des Gesamtsystems bekannt sind, ist oberflachennah mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine neue globale Gleichgewichtstemperatur auf einem höheren Niveau zu erwarten.
Die Nutzung regenerativer Energiequellen wird daher in Zukunft eine zunehmend gewichtiger werdende Rolle spielen. Weltweit hat der Einsatz erneuerbarer Energien vor allem auf dem Stromsektor zugenommen, wahrend für den regenerativen Wärmemarkt sowie den Markt für erneuerbare Antriebsenergien (z.B. Biodiesel) derzeit kaum belastbare Aussagen möglich sind. Die globale regenerative Stromerzeugung erreicht gemessen an der Weltstromerzeugung einen Anteil von rund 20 %.
Betrachtet man die Einzelbeiträge, dann dominiert zu weit über 90 % die Wasserkraft, gefolgt von der Geothermie. Auf dem dritten Rang folgt die Windenergie, die als Musterbeispiel für eine gelungene Markteinführung und technische Entwicklungsleistung gilt. Ende 2000 erreichte die globale Gesamtleistung bereits über 17000 MW. Noch zu Beginn der neunziger Jahre wurden Windkonverter mit Leistungen zwischen 50 und 150 kW errichtet. Derzeit schickt sich die Windbranche an, Anlagen mit bis zu 5 MW Leistung auf den Markt zu bringen.

Aus markttechnischer Sicht hinkt der globale Markt für Photovoltaik (2000: 280 MW) dem Windmarkt etwa zehn Jahre hinterher. Erstmals scheint aber der Solarstrommarkt an Wachstumsdynamik deutlich zu gewinnen, und die Chancen für ein Durchbrechen der Negativspirale aus hohen Stückkosten, geringem Marktvolumen und kleinen Produktionskapazitäten sind deutlich größer geworden.
In Deutschland konzentriert sich die Betrachtung regenerativer Energien im öffentlichen Bewusstsein fast ausschließlich auf den Stromsektor. Dank des Erneuerbare Energien-Gesetzes stieg im Jahr 2000 mit rund 35 Mrd. kWh der Anteil am Stromverbrauch auf rund 7 % an. Unter der Voraussetzung eines weitgehend stabilen Stromverbrauchs könnten bereits im Jahr 2005 10% des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Vor allem die kausale Verknüpfung zwischen Kernenergie und regenerativen Energien hat in Deutschland lange Zeit die Energiepolitik dominiert und die Industrie auf dem Gebiet der regenerativen Energietechniken praktisch gelähmt.
Im Mittelpunkt stand und steht aber auch heute noch häufig der versorgungstechnische Aspekt und allenfalls die Frage, mit welchen Kosten welche CO2-Einsparung erreicht werden kann. Eine industrielle Entwicklung im Zusammenhang mit der Herstellung und Produktion regenerativer Anlagentechniken ist eher zufallsbedingt entstanden. Eine strategische Wirtschafts- und Industriepolitik ist auf diesem Gebiet leider nicht wahrnehmbar.
Es ist aber bekannt, dass eine rechtzeitige Besetzung neuer industrieller Felder die Arbeitsplätze von morgen sichert. So stehen heute die wichtigsten Produktionsstätten für Windenergieanlagen in Dänemark und Deutschland, also in jenen Ländern, in denen eine frühe Starthilfe gewahrt wurde. Ein Netzwerk aus Herstellern, Wissenschaft und Zulieferindustrie hat sich entwickeln können. Schaut man sich in Deutschland um, dann besteht trotz der sichtbaren Kompetenz auf dem Gebiet der Windenergietechnik Anlass zur Sorge. Während in Deutschland beispielsweise eifrig über die Erzeugungskosten für Solarstrom diskutiert wird, haben die Japaner die Richtlinien des deutschen 1000-Dächer-Programms aus den neunziger Jahren einfach übernommen und ihr Solarprogramm konsequent ausgebaut.

Heute ist der technologische Vorsprung der Japaner unbestritten, und die weltweit größten PV-Produktionskapazitäten stehen im Land der aufgehenden Sonne. Auch die zukunftsträchtige Brennstoffzellentechnologie wird weitgehend in den USA bzw. Kanada umgesetzt.
In Deutschland hat die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien der "Regenerativen Energiewirtschaft" im vergangenen Jahr einen Umsatz von über 15 Mrd. DM beschert. Zu diesem positiven Ergebnis haben im Bereich der regenerativen Energieversorgung (7,2 Mrd. DM) die Stromerzeugung (ca. 35 Mrd. kWh) aus erneuerbaren Energiequellen sowie der Biodieselabsatz (rd. 300 000 t) beigetragen. Der "regenerative Anlagenbau" (8,3 Mrd. DM) konnte vor allem von der steigenden Nachfrage nach Wind- und Solaranlagen profitieren.
Es gibt gute Gründe dafür anzunehmen, dass sich der regenerativen Energieerzeugung sowie dem regenerativen Anlagenbau längerfristig große Zukunftsperspektiven eröffnen. Zwar ist der Markt noch relativ klein, aber international werden Regierungen zunehmend unter industriellen Zugzwang geraten, die technische und wirtschaftliche Entwicklung auf dem regenerativen Energiesektor auch im eigenen Land zu unterstützen.
Eine wichtige Stütze ist das Ziel der EU, den Anteil der erneuerbaren Energien auf dem Stromsektor his zum Jahr 2010 zu verdoppeln. Vor allem aber die volatilen Öl- und Gaspreise bzw. die auf der Zeitschiene immer wieder mit unterschiedlicher Stärke auftretenden Diskussionen um den globalen Klima- und Umweltschutz dürften dafür sorgen, dass der weltweite Markt für regenerative Energieanlagen kontinuierliche Steigerungsraten bzw. Zwischenphasen mit ausgeprägten Wachstumsschüben aufweisen wird.
Und wie werden sich die Ölscheichs verhalten? Nun, sie werden dafür sorgen wollen, dass der Entwicklungspfad für erneuerbare Energien nicht zur Schnellstrasse wird. Das bedeutet eine Stabilisierung des Ölpreises auf jenem Niveau, bei dem einerseits der Zuwachs bei den erneuerbaren Energien möglichst gering und andererseits eine zu hohe Abschöpfungsquote durch staatliche Energiesteuern vermieden wird. Letztlich aber wird sich der Trend zu den regenerativen Energien nicht mehr aufhalten lassen. Das ahnen auch die Börsianer.
NORBERT ALLNOCH
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