Windenergie: Neue OVG-Beschlüsse zu baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten


Das OVG-Münster hat mit zwei neuen Beschlüssen (09.09.1998) in Sachen Windenergie große Aufmerksamkeit hervorgerufen 

Grundlage: Windenergieanlage im Außenbereich; 500 kW-Anlage, 65 m Nabenhöhe 

1. Zumutbarkeit von Windenergieanlagen

Hierzu stellt das OVG-Münster grundsätzlich fest, "daß die Frage, ob der Betrieb einer Windkraftanlage Nachbarn zumutbar ist, nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden kann." Anlagen in einem zum Grundstück der Antragsteller gegebenen Abstand von etwa 350 bzw. 589 m seien "ohnehin nicht von nachbarrechtlicher Bedeutung, insbesondere nicht von erdrückender Natur". 

2. Beeinträchtigung des Landschaftsbildes

Nach Ansicht des OVG-Münster ist "die von den Antragstellern ferner erhobenen Rügen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes nicht nachbarschützend." 

3. Beeinträchtigung von Radio-, Fernseh- und Mobilfunkempfang

Nach Ansicht des OVG-Münster "schützt weder das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG noch die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG davor, daß sich die Umgebung ändert und folgedessen die bisherige Möglichkeit des Rundfunk- und Fernsehempfangs den neuen Gegebenheiten technisch angepaßt werden muß und hierfür gegebenenfalls finanzielle Aufwendungen getätigt werden müssen. Ebensowenig hat der Besitzer eines Mobilfunktelefons aus Art. 5 Abs. 1 GG oder aus Art. 2 Abs. 1 GG eine eigene Rechtsposition, kraft derer er Veränderungen in der Umgebung verhndern könnte, welche die Benutzung eines Mobilfunktelefons auf seinem Grundstück erschweren. Allenfalls sind Interessen, nicht jedoch Rechte des Betreibers des Netzes tangiert, dessen Sache es ist, durch entsprechende technische Maßnahmen die Funktionsfähigkeit des Netzes sicherzustellen." 

4. Beeinträchtigung durch Disco-Effekt

Nach Ansicht des OVG-Münster ist in diesem Fall eine Beeinträchtigung durch reflektierende Sonnenstrahlen nicht gegeben, da der Hersteller einen Glanzgrad von 10 (nach DIN 67530) bescheinigt hat und "lediglich beim direkten Blick auf die Anlage noch eine leichte Reflexion der Sonnenstrahlen erkannt werden kann". 

5. Beeinträchtigung durch Lärm (Maßstab: TA Lärm)

" Die Antragsteller als Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Grundstücks können zwar damit rechnen, daß in der Umgebung ihres Grundstücks keine Nutzung zugelassen wird, die die Belange der Wohnnutzung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Der Maßstab der Zumutbarkeit ergibt sich jedoch hier nicht anhand der Richtwerte für reine Wohngebiete. Für ein in einem reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich gelegenes Wohnhaus hat der Senat hierzu bereits ausgeführt, daß einer solchen Wohnnutzung Geräusche, die nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 oder der TA-Lärm beurteilt werden können, mit einem Beurteilungspegel von 55 dB (A) tagsüber und 40 dB (A) nachts zuzumuten sind. Eine weitere Minderung dieses Schutz maßstabes ist hier deshalb geboten, weil derjenige, der im Außenbereich wohnt, keinen Anspruch darauf hat, daß seine Umgebung von weiterer Bebauung frei bleibt. Er muß, wie sich aus § 35 Abs. 1 BauGB ergibt, unter Umständen auch mit belastenden Anlagen rechnen und ist insoweit situationsbelastet.Dem Verwaltungsgericht ist daher auch darin zuzustimmen, daß sich der im Außenbereich Wohnende bezüglich etwaiger Lärmbeeinträchtigungen allenfalls auf die Einhaltung der für Mischgebiete erarbeiteten Schallgrenzwerte, also auf Werte von 60 dB (A) tags sowie 45 dB (A) nachts berufen kann..." 

Grundsätzlich vertritt das OVG-Münster die Auffassung, "daß die Messung und Bewertung der Lärmbeeinträchtigung in Anlehnung an die Regelungen der TA-Lärm erfolgen kann, da bisher genauere Eerkenntnisse über die spezifischen akustischen Wirkungen der von Windkraftanlagen ausgehenden Lärmemissionen nicht vorhanden sind." Unter Berufung auf das Umweltamtes Nordrhein-Westfalen ist jedoch die Lärmemissionen bei Nennleistung der Anlage heranzuziehen. 

6. Beeinträchtigung durch Infraschall

Infraschall ist nach Auffassung des OVG-Münster dann ohne Bedeutung, wenn die Infraschallemissionen unterhalb der Hörschwelle liegen. 

7. Beeinträchtigung durch Schattenwurf 

In dem vorliegenden Fall ist die Wirkung des Schattenwurfs von derart untergeordneter Größenordnung, daß er dort hinnehmbar ist. Nur im April bzw. August kommt es demnach in diesem Fall überhaupt zu "in zeitlicher Hinsicht erwähnenswerten Schatteneinwirkungen mit einer monatlichen Gesamtdauer von 8,17 Stunden im April bzw. 7,53 Stunden im August. Diese Stundenzahl ist mit dem Gutachter im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, daß bei einem entsprechenden Sonnenstand auch tatsächlich Schattenwurf eintritt, die der Gutachter mit 0,26 annimmt, weiter, nämlich auf 2,12 Stunden im April bzw. 1,95 Stunden im August zu reduzieren. Die beiden Monate, in denen darüber hinaus noch Schattenwurf auf dem Grundstück der Antragsteller zu erwarten ist, können wegen der völlig untergeordneten Einwirkungszeiten (0,27 Stunden im Mai bzw. 0,02 Stunden im September) ohnehin vernachlässigt werden." 

Das OVG-Münster stellt weiterhin fest, daß sich die Schattenwurfuntersuchung nicht auf das gesamte Grundstück beziehen muß. Der Gutachter hatte vorsichtshalber auf das gesamte Grundstück der Antragsteller abgestellt. Hierzu meint das OVG: " Derartig weiträumige Außenbereichsflächen sind jedoch auch dann, wenn sie als Garten dem Wohnhaus der Antragsteller zugeordnet sein sollten, nicht gleichermaßen schutzwürdig wie die unmittelbare Wohnnutzung." 
 

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