Trendwende bei Öl? - Ölpreise steigen um 65% durch OPEC-Disziplin
Die Rohölpreise sind binnen weniger Wochen um 65% und damit so
kräftig wie kaum zuvor in der Vergangenheit gestiegen. Noch im Februar
1999 lag der Preis für die Sorte Brent an den Futuremärkten im
Monatsbereich unter 10 Dollar je Barrel. Am Freitag wurde das Settlement
für den Juni 99 Future-Kontrakt bei 16,57 Dollar festgestellt.
Die Ursachen für diese Preisentwicklung liegen einerseits in der
anscheinend überraschend hohen Förderdisziplin der OPEC, die
im März vereinbarten niedrigeren Ölfördermengen auch tatsächlich
einzuhalten (s. IWR-News). Andererseits ist der jetzige Preisanstieg auch
teilweise auf Short-Eindeckungen an den Futuremärkten zurückzuführen.
Zu viele Investoren, die auf niedrigere Ölpreise gesetzt hatten, scheinen
auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein und müssen sich
jetzt zu höheren Preisen wieder eindecken. Darauf deuten die niedrigeren
Futurepreise auf längere Sicht hin. So wurde das Settlement für
den Jahrestermin (Jun 2000) bei 15,17 Dollar festgestellt. Erst wenn sich
die Ausschläge an den Futuremärkten ausgependelt haben, wird
man das neue Preisniveau erkennen und beurteilen können, ob tatsächlich
eine Trendwende bei den Ölpreisen eingeläutet wurde.
Im Unterschied zu den vergangenen Jahren wird die kräftige Preiserhöhung
an den Ölmärkten in der Öffentlichkeit noch kaum wahrgenommen.
Auch an den Finanzmärkten scheint das prinzipiell mit den höheren
Ölpreisen verbundene Inflationspotential angesichts der aktuell geringen
Inflationsrate in allen wichtigen Industriestaaten zur Zeit kein Thema
zu sein.
Die OPEC hat vorerst gezeigt, daß sie noch handlungsfähig
und mit ihr zu rechnen ist. Zu dem Druck, sich auf geringere Fördermengen
zu verständigen, könnte auch die jüngste Konzentrationswelle
in der Ölindustrie beigetragen haben. Der niedrige Ölpreis und
steigende Kosten für neue Explorationsvorhaben sowie das damit verbundene
hohe Investitionsrisiko dürfte die Kooperationsbereitschaft zwischen
den Wettbewerbern deutlich beflügelt haben. An einer weiteren Fusionswelle
kann eigentlich auch die OPEC kein Interesse haben. Des weiteren kann es
aus der Sicht der OPEC nicht in ihrem Sinne sein, daß immer mehr
Industriestaaten die Differenz zwischen "fairen" und "niedrigen" Ölpreisen
durch zusätzliche Steuern auf fossile Energieträger (u.a. Ökosteuer)
abschöpfen.
Die jüngste Entwicklung macht deutlich, daß die Macht der
OPEC kurzfristig wieder spürbar werden kann. Steigende Preise für
fossile Energieträger erhöhen jedoch grundsätzlich die Wettbewerbsfähigkeit
regenerativer Energien, egal ob durch die Einführung einer Ökosteuer
oder durch die Förderdisziplin der OPEC. Wie schnell die Preise prinzipiell
steigen können, dies hat der scheinbar schlafende Tiger OPEC - bisher
- eindrucksvoll unter Beweis gestellt. (iwr)
Münster, den 03.05.1999
|