Gesetzesinitiative des Bundesrats zur Änderung des Baugesetzbuches vom 14.07.1995
Forschungsgruppe Windenergie, Universität Münster 
Bundesrat Drucksache 153/95 (Beschluß) 
Gesetzentwurf des Bundesrates vom 14.07.95

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches

A. Zielsetzung

Bei Windenergieanlagen und Anlagen zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung sonstiger Energien im Außenbereich handelt es sich in der Regel nach derzeitiger Rechtslage um sonstige, nicht privilegierte Anlagen nach § 35 Abs. 2 BauGB. Als Folge sind nur Anlagen als sogenannte Nebenanlagen privilegiert, wenn sie im Zusammenhang mit einem land- und forstwirtschaftlichen oder einem sonstigen, im Außenbereich privilegierten Betrieb errichtet werden und der von ihnen erzeugte Strom überwiegend vom Betrieb verbraucht wird. Diese Nebenanlagen sind aber wirtschaftlich uninteressant und werden deshalb kaum noch gebaut.

Es ist daher geboten, die Rahmenbedingungen für die Erforschung, Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien in den küstennahen oder sonst großflächig standortgeeigneten Regionen dadurch zu verbessern, daß bundesrechtlich eine umfassende Privilegierung eingeführt wird. Dabei ist eine ungesteuerte und ungeplante Errichtung von Windkraftanlagen zu verhindern. Das ist aber nicht auf der Ebene des Bundesrechts durch Versagung der Privilegierung, sondern durch lokal und regional qualifizierte Planung zu erreichen.

B. Lösung

Es kommt darauf an, das Hemmnis der fehlenden allgemeinen Privilegierung von Vorhaben für Anlagen zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung von Windenergie im Außenbereich zu behoben, ohne die nach geltendem Recht bestehenden spezifischen Privilegierungen bei Nebenanlagen und bei sonstigen ortsgebundenen Standorten im Binnenland einzuengen und ohne das Planungsrecht für die Lenkung von Vorhaben in geeigneten Vorrangflächen anzurühren. Eine so konzipierte allgemeine bundesrechtliche Privilegierung in Verbindung mit der lokalen und regionalen Feinsteuerung läßt erwarten, daß die Festlegung von Vorranggebieten beschleunigt wird und so zugleich der ungesteuerten Standortnutzung, aber auch der Verunsicherung von Investoren durch zögerliche Planungsaktivitäten vorgebeugt wird.

Diese Regelung läßt für das Landschaftsbild und die lokale Flächennutzung im ganzen eine verträglichere Vorhabensstandortsteuerung erwarten als eine Privilegierungsregelung, die ohne Planungsaktivität auf lokaler und regionaler Ebene den mehr oder weniger zufällig verteilten Standorten bei Hofstellen, bei sonst privilegierten Betrieben oder im Binnenland außerdem auf einzelnen windhöffigen Flächen einen Vorzug geben.

C. Alternativen

Eine weniger weitreichende allgemeine Privilegierung auf der Ebene des Bundesrechts ist nicht sinnvoll und unter Nutzung der Steuerungsmöglichkeiten durch die ortsnahe lokale und regionale Planung auch nicht geboten.

D. Kosten

Keine

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1



§ 35 des Baugesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. November 1994 (BGBl. 1 S. 3486) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

  1. Absatz 1 wird wie folgt geändert:

  2. a) In Nummer 5 werden die Worte "soll oder" durch das Wort "soll," ersetzt.
    b) In Nummer 6 wird der Punkt durch das Wort "oder" ersetzt.
    c) Nach Nummer 6 wird folgende Nummer 7 angefügt:
    "7. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient."
  3. In Absatz 3 wird folgender Satz angefügt: "Öffentliche Belange stehen Vorhaben nach den Absätzen 1 und 2 auch entgegen, wenn und soweit für solche Vorhaben Vorrangausweisungen in Bauleitplänen oder in Raumordnungsplänen an anderer Stelle erfolgt sind."
  4. Artikel 2



    Dieses Gesetz tritt zwei Jahre nach seiner Verkündigung in Kraft.

Begründung:



A. Allgemeines

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Entscheidung vorn 16. Juni 1994, Az.: 4 C 20/93) handelt es sich bei Windkraftanlagen nicht um privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB, sondern um sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB. Lediglich kleinere Vorhaben im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen oder sonstigen privilegierten Betrieben im Außenbereich sind als sogenannte Nebenanlagen privilegiert, sofern die von ihnen erzeugte Energie zu mehr als 50 v.H. vom Betrieb selbst verbraucht wird. Eine Privilegierung von Windkraftanlagen ist erforderlich, um regenerative Energien stärker als bisher ausnutzen zu können. Allerdings ist eine uneingeschränkte Privilegierung zu vermeiden, da es anderenfalls schnell zu einer ungesteuerten, "planlosen" Errichtung insbesondere von Windkraftanlagen kommen kann.

B. Zu den Vorschriften im einzelnen

  1. Zu Artikel 1 Nr. 1

  2. Es ist notwendig, über die von der Rechtsprechung erfaßte Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB hinaus auf der bundesrechtlichen Ebene für Anlagen zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Windenergie eine allgemeine Privilegierung wie in den anderen Fällen des § 35 Abs. 1 BauGB festzulegen. Diese Privilegierung läßt die Befugnis und Obliegenheit der kommunalen und regionalen Planungskörperschaften unberührt, die Standortwahl für die Errichtung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie durch die Aufstellung lenkender und qualifizierter Planungen bzw. durch die Ausweisung von Vorranggebieten und -flächen entsprechend den abzuwägenden Interessen zu lenken.
  3. Zu Artikel 1 Nr. 2

  4. Für die Steuerung bietet sich die Konzentration von solchen Anlagen an. Mit dem angefügten Satz in § 35 Abs. 3 BauGB soll daher unter Berücksichtigung der Systematik des § 35 BauGB die Möglichkeit der planerischen Konfliktbewältigung gegeben werden. Da das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 57/84 - entschieden hat, daß Gemeinden Abgrabungsgebiete für Kies und Sand darstellen können mit dem Ziel, diese in den ausgewiesenen Standorten zu konzentrieren mit der Folge, sie im übrigen Außenbereich zu vermeiden, wurde die Formulierung in dem anzufügenden Satz bewußt offen gehalten und nicht auf Windenergieanlagen beschränkt.

    Eine entsprechende Formulierung ist auch für die Raumordnung und Landesplanung aus mehreren Gründen erforderlich. Zum einen bezieht sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 hinsichtlich der Abgrabungskonzentration nur auf den Bereich der Bauleitplanung. Die Frage, inwieweit sich diese Rechtsprechung auf die Raumordnung und Landesplanung übertragen läßt, kann zu Streitigkeiten führen. Zum anderen kann Streit über die Frage entstehen, ob eine einzelne Windkraftanlage ein raumbedeutsames Vorhaben ist und ob insofern § 35 Abs 3 Satz 3 BauGB überhaupt Anwendung findet. Verneint man diese Frage, entfällt für die Raumordnung und Landesplanung jegliche Steuerungsmöglichkeit. Da die Landesplanung von ihrem Auftrag her an der Konzentration von Vorhaben in bestimmten Gebieten interessiert sein muß, muß auch für die Raumordnung und Landesplanung eine entsprechende Steuerungsmöglichkeit vorgesehen werden.

    Eine Einschränkung der Privilegierung auf Einzelanlagen ist abzulehnen, weil dies zu einer Zersplitterung des Außenbereichs führen kann, mögliche Standorte nicht optimal ausgenutzt werden könnten und Gründe des Natur- und Landschaftsschutzes entgegenstehen.

    Windenergieanlagen sind generell ohne Zuordnung zu einem bestimmten Vorhaben zu privilegieren , da kein sachlicher Grund ersichtlich ist, warum Windkraftanlagen, die in einem räumlichen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb stehen, im Gegensatz zu anderen Windenergieanlagen privilegiert sein sollen.

  5. Zu Artikel 2 Nach Artikel 1 können Vorhaben nach § 35 Abs. 1 und 2 öffentlichen Belangen entgegenstehen, wenn in Bauleitplänen oder Raumordnungsplänen Vorrangausweisungen anderer Stelle erfolgt sind.

  6.  

     
     
     

    Sinn der Zwei-Jahres-Regelung ist es, der Gemeinde und auch der Regional- und Landesplanung eine angemessene Planungszeit zu geben, um die mit dem Gesetz bezweckte Steuerungsmöglichkeit wahrzunehmen.
     
     

e-mail an: fgwind@uni-muenster.de