VDI
nachrichten, Münster, 13.7.01
Die alljährlich gleiche Botschaft lautet:
Die Ölversorgung ist sicher. Ist sie das wirklich? Dr. Norbert
Allnoch, Leiter des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative
Energien, warnt davor, solche Prognosen allzu ernst zu nehmen.
Konsens besteht darin, dass langfristig die endlichen fossilen
Energieträger wie Öl, Gas, Kohle durch erneuerbare Energien
ersetzt werden müssen. Seit der Club of Rome zu Beginn del
70er Jahre über die Grenzen des Wachstums nachgedacht hat,
wurden keine erkennbaren Weichen gestellt, um den weltweiten
fossilen Energieverbrauch zu mindern oder die Abhängigkeit
vom Öl entscheidend zu reduzieren. Im Gegenteil: Der Verbrauch
fossiler Energieträger geht in einem ungeheuren Tempo weiter.
So soll beispielsweise nach dam jüngsten Szenario der Internationalen
Energieagentur in Paris ohne eingreifende politische Maßnahmen
der Weltölverbrauch auch in den kommenden 20 Jahren weiter
kräftig ansteigen. Meldungen über stetig verbesserte Techniken
der Ölexploration und -gewinnung oder die jährlich veröffentlichten
Statistiken über die Öl- und Gasreserven wähnen uns in der
scheinbaren Sicherheit, ein Ende der fossilen Energien liege
in weiter Feme. Fein säuberlich werden die von den Nationen
herausgegebenen Daten über die Reserven von den Ölkonzernen
aufgelistet und kommentiert. Eine alljährlich gleiche Botschaft
lautet: "Die Ölversorgung ist sicher. " Ein Schelm, war
Böses dabei denkt. Und tatsachlich weist beispielsweise
der Oeldorado 2001-Report der ExxonMobil zum Ende des vergangenen
Jahres weltweite Ölreserven in Höhe von rd. 140 Mrd. t aus.
Bei einem globalen Verbrauch im Jahr 2000 von 3,5 Mrd. t
erhält man durch einfache Division die angegebene Reichweite
von 40 Jahren.
Abgesehen davon, dass der retrospektive globale Jahres-Verbrauchswert
für zukünftige Jahre irrelevant ist und Aussagen über die
sicher gewinnbaren Reserven auf Grund del Ölpreisabhängigkeit
ungenau sind, stimmen noch einige weitere Aspekte nachdenklich.
Nicht die Angaben von neutralen Stellen, sondern die Regierungsangaben
bzw. die veröffentlichten Daten der einzelnen Nationen bilden
die statistische Grundlage.
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Denen
muss man nicht glauben, wie das Beispiel Mexiko zeigt. Im
Jahr 1999 wurden in Mexiko die Ölreserven einer "Neubewertung"
unterzogen und auf Grund der geänderten Datenlage - quasi
mit einem Federstrich - die eigenen offiziellen Landesreserven
kurzerhand um 40 % reduziert. Es würde mich nicht wundem,
wenn die Produktions- und Reservezahlen von OPEC-Staaten
auf Grund des Quotenpokers eher an einer politischen Strategie
ausgerichtet sind. Die großen Ölquellen auf diesem Planeten
sind längst bekannt und werden seit langem ausgebeutet.
Größere Neufunde sind vergleichsweise selten und diese erreichen
nicht annähernd den weltweiten Jahresverbrauch. Eine steigende
Nachfrage nach fossilen Energieträgem auf Grund des globalen
Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums und eine zunehmende
Industrialisierung in Drittstaaten könnte daher eine noch
höhere Produktion aus bestehenden und bekannten Ölfeldern
erfordern. Ich bezweifle, dass die OPEC langfristig in der
Lage sein wird, ihre Produktionen entsprechend den Marktanforderungen
nach Belieben anzupassen und beispielsweise rückläufigen
Förderungen außerhalb der OPEC zu kompensieren. Bisher ist
ein Anpassungsdruck auf die Weltgemeinschaft, ausgelost
durch eine Klimaänderung bzw. eine zur Neige gehende fossile
Energieversorgung, nicht spürbar. Gleichwohl ist nicht das
letzte Verfügbarkeitsdatum fossiler Energieträger entscheidend,
sondern jener weit vorher liegende Zeitpunkt, an dam die
maximal erreichbare globale Förderungsleistung ihren oberen
Wendepunkt erreicht hat und eine weiter ansteigende Nachfrage
nicht mehr vollständig gedeckt werden kann. Bleibt nur zu
hoffen, dass die bisherige kollektive Verdrängung des Problems
keinen evolutionsgeschichtlichen "Anpassungsschock" auslöst,
nur weil die statistischen Zahlen auf dam Papier die reale
Situation eher verschleiert haben.
NORBERT ALLNOCH
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