Windenergie-Experten bedauern "tragische Flaute" bei Tacke
Hannover/Salzbergen (dpa/lni) - Für den drohenden Konkurs der Tacke
Windtechnik GmbH & Co. KG im niedersächsische Salzbergen haben
die Bündnisgrünen die SPD-Landesregierung mitverantwortlich gemacht.
"Seit über einem Jahr macht sich das Wirtschaftsministerium stark
für eine Absenkung der garantierten Strompreisvergütung. Wenn
jetzt eine Verunsicherung der Banken beklagt wird, geht der Anstoß
dazu in erster Linie von Niedersachsen aus", sagte am Mittwoch der wirtschaftspolitische
Sprecher der Grünen-Fraktion am Landtag von Hannover, Michael Golibrzuch.
Einer Bundesratsinitiative der SPD- Landesregierung zufolge sollten
die Energieversorger ab 1999 nur noch für die langfristigen Mehrkosten
der Einspeisung erneuerbarer Energien in ihre Netze aufkommen müssen,
erklärte Golibrzuch. Die Differenz zu der gesetzlich vorgeschriebenen
Vergütung sollte aus dem Bundeshaushalt beglichen werden. "Mit seinen
Aussagen hat der Minister die Forderungen des Energiekonzerns PreussenElektra
nahezu wörtlich übernommen und potentielle Investoren und Finanziers
der Windenergie abgeschreckt", kritisierte der Grünen-Sprecher.
Experten der Windenergie-Branche bedauerten am Mittwoch die drohende
Tacke-Pleite. Der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Windenergie
(DGW) in Hannover, Carlo Reker, sprach von einem "tragischem Vorgang".
Der Leiter des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien
(IWR) an der Universität Münster, Norbert Allnoch, kritisierte
"daß die Diskussionen um die erneuerbaren Energien fast ausschließlich
energiepolitisch motiviert" seien. Industriewirtschaftliche Aspekte würden
demgegenüber "sträflich vernachlässigt".
Gläubiger von Tacke hatten am Montag beim Antsgericht in Lingen
Konkursantrag gegen den nach DGW Angaben 1996 noch zweitgrößten
deutschen Windtechnik-Anbieter gestellt. Eine Entscheidung wird in zwei
Wochen erwartet. Bei Tacke war der Umsatz durch Auftragsrückgänge
von 180 (1995) auf 131 Millionen DM (1996) geschrumpft. Dadurch kam es
zu Liquiditätsengpässen. Wie ein Firmensprecher am Mittwoch versicherte,
muß das genaue Defizit erst noch errechnet werden. Immerhin verfüge
das Unternehmen über ein Auftragsvolumen von rund 100 Millionen DM.
Laut Reker zeigen die Verhältnisse bei Tacke, wie ernst die Lage
in der deutschen Windenergiebranche sei. Die sich seit langem hinschleppende
Bonner Debatte über die Änderung des Stromeinspeisunggesetzes
habe viele mögliche Investoren verunsichert. Bei der ebenfalls geplanten
Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes müsse "die Mindestpreisvergütung
aus dem Stromeinspeisungsgesetz erhalten bleiben".
Nach Allnochs Beobachtungen befindet sich der deutsche Markt für
Windkraftanlagen "durch politisch bedingte Belastungsfaktoren wie Stromeinspeisungsgesetz
und Baurechtsnovellierung schon seit einem Jahr in Schwirigkeiten". Der
Stückzahlenabsatz sei rückläufig."Parallel zur Verunsicherung
der Investoren" habe sich "binnen kürzester Zeit ein harter Verdrängungswettbewerb
unter den Produzenten eingestellt".
Firmenchef Markus Tacke hofft, das Unternehmen mit allen 230 Arbeitsplätzen
im In- und Ausland retten zu können. Ein ausländischer Investor
sei an einer Beteiligung interessiert. außerdem habe das Land Niedersachsen
Bereischaft signalisiert "ein solides Fortführungskonzept durch öffentliche
Finanzierungshilfen zu begleiten".
Wie Allnoch sagte, erzielte die deutsche Windenergiebranche 1996 einen
Umsatz von rund einer Milliarde DM. Im ersten Halbjahr 1997 seien bundesweit
359 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 215 Megawatt (MW) neu aufgestellt
worden, 189 im Binnenland und 170 in den Küstengebieten. Mit einer
Gesamtleistung von 1 765 MW sei Deutschland damit Marktführer.
Juli 1997 |