19.07.2013, 11:22 Uhr

EU will Atomkraft ausbauen und subventionieren

Münster – Während die Atomkraft in Deutschland ein Auslaufmodell ist, will die EU zusammen mit einigen Mitgliedsstaaten die Kernenergie vorantreiben: Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia plant laut einem Bericht der „SZ“, künftig Subventionen für die Erbauer und Betreiber von Kernkraftwerken zu erleichtern.

EU: Atomenergie ist „kohlenstoffarm“

Die Begründung ist lapidar: Kernkraft sei ebenso wie erneuerbare Energien „kohlenstoffarm“, berichtet das Blatt aus einem Entwurf der EU-Kommission. Deswegen sei der Ausbau der Nuklearenergie ebenso wie das Vorantreiben von Solar, Windkraft & Co. ein Ziel. Um hier weiter voranzukommen, will Brüssel „für die Errichtung und den Betrieb eines Atomkraftwerks“ staatliche Unterstützung erlauben, wie sie bislang nur bei den regenerativen Energieformen erlaubt ist.

Jahrelange Prüfung könnte entfallen

Almunia will nach der Sommerpause einen Entwurf mit den neuen Regelungen vorlegen, damit Investoren frühestmöglich Rechtssicherheit über mögliche Beihilfe haben. Demnach müssten die Behörden nachweisen, dass die Anlage für eine sichere Stromversorgung unabdingbar ist und die Investitionen dafür zu hoch sind, um sie allein aus privaten Mittel zu stemmen. Dieser Punkt ist vor dem Hintergrund einer kürzlich erschienenen DIW-Studie interessant, nach der Brüssel die Kosten für Kernkraft zu niedrig ansetzt und sich umgekehrt zu Ungunsten der erneuerbaren Energien verschätzt. Bislang müssen Beihilfe-Anträge einzeln vorgebracht und in einem jahrelangen Verfahren geprüft werden – mit ungewissem Ausgang.

Atomkraft-Befürworter stehen angeblich Schlange - die wahren Subventionsgründe

Die Brüsseler Pläne sind aus deutscher Sicht irritierend und Deutschland hat bereits widersprochen, dennoch sind eine Reihe von Ländern für die Möglichkeit der staatlichen Subventionierung von Atomkraftwerken. Ein Vetorecht besitzt sie bei der geplanten Änderung der Wettbewerbsregeln nicht, aber ausgerechnet die EU-Kommission mit dem deutschen Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) entscheidet allein. Und der sonst so medienpräsente Oettinger schweigt.

Unklar ist zudem, ob sich Deutschland durchsetzen kann: Insbesondere Großbritannien ist an einer Änderung der Rahmenbedingungen interessiert. Für zwei Reaktoren am Standort "Hinkley Point C" an der Südküste, die dem Ersatz älterer und abzuschaltender Blöcke dienen, ist die Genehmigung erteilt worden, aber die britische Regierung befindet sich in einem Dilemma. Die Errichtung und der Betrieb sollen von den französischen Konzernen Areva und EdF übernommen werden, nachdem sich E.ON und RWE aus dem Projekt verabschiedet hatten. Nach einem Bericht des "Telegraph" hatte EDF aber die Bedingung gestellt, dass die zuständigen Minister umgehend den notwendigen staatlichen Subventionen zustimmen müssten, damit das Projekt auch Realität werden könne. Nur bei einem gesicherten "strike price" werde es eine Umsetzung geben, so EDF.

Auch in Frankreich werden ebenso wie in der Slowakei und Finnland zwar neue Meiler gebaut. Ein Hauptproblem dürfte in vielen AKW-Ländern sein, dass viele Kraftwerke in die Jahre gekommen sind, das Ende ihrer Betriebslaufzeit erreichen und gegebenenfalls durch neue Anlagen am Standort ersetzt werden müssen. Auf Grund der gesunkenen Strompreise an den Börsen rechnen sich neue oder Ersatz-Atomkraftwerke aber derzeit nicht.

Kritik: Energiewende ist gefährdet

Während EU-Energiekommissar Günther Oettinger sich auf Anfrage der „SZ“ nicht zu dem Thema äußern wollte, verurteilte die Rheinland-Pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) die Pläne am Freitag: „Das ist ein Rückfall in die Steinzeit der Energieversorgung. Es ist falsch, dass Staaten der EU noch immer auf Atomkraft setzen wollen, wo doch viel bessere und vor allem risikofreie Energien zur Verfügung stehen“, teilte sie mit. Mark Breddy, Sprecher von Greenpeace Europa, sieht laut dem Blatt sogar die deutsche Energiewende bedroht: „Sie gefährden nicht nur die deutsche Umweltpolitik, sondern auch die Wirtschaft.“

Weitere Informationen und Nachrichten:


© IWR, 2013