29.01.2015, 16:54 Uhr

Energiewende: Wer meint was zu Ausschreibungen

Münster – Das Bundeskabinett hat die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgelegte Verordnung zur Einführung von Ausschreibungen bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen, die über die Bundesnetzagentur laufen sollen, in dieser Woche beschlossen. Es ist die Rechtsgrundlage für den Start der Pilotausschreibungen im Solarsektor. Viele Verbände und Institutionen aus der regenerativen und der traditionellen Energiebranche haben sich dazu zu Wort gemeldet.

Die wichtigsten Statements vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), von Eurosolar und Unternehmern der Solarbranche sowie vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) und dem Bundesverband Windenergie (BWE) sind hier zusammengefasst. Zudem kommen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zu Wort. In einem Punkt sind sich alle einig: Die vorgesehenen Beschränkungen hinsichtlich der Flächen für Solarkraftwerke müssen wegfallen.

Verordnung tritt im Februar in Kraft

Gabriel betonte nach der Verabschiedung der Ausschreibungsverordnung, dass damit der mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im vergangenen Jahr begonnene Weg konsequent fortgesetzt werde: "Wir schaffen erstmals die Basis für eine wettbewerbliche Förderung erneuerbarer Energien. In einem zweiten Schritt ab 2017 soll die finanzielle Förderung grundsätzlich auch für andere erneuerbare Energien auf Ausschreibungen umgestellt werden. So wollen wir die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien planbar und kostengünstiger erreichen." Die Verordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundestages oder des Bundesrates und tritt daher im Februar 2015 mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft (direkt zur Verordnung).

Solarbranche: Auktionsvolumen ist viel zu klein

In erster Linie ist die Solarbranche von der neuen Verordnung betroffen. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) kritisierte den Beschluss des Bundeskabinetts. Das Auktionsvolumen und die Standortwahl seien zu stark beschränkt worden. Zudem sei das Verfahren bürokratisch und ein Erfolg unsicher. „Obwohl Strom aus neuen Solarparks inzwischen preiswert geworden ist, soll deren weiterer Ausbau in Deutschland gedrosselt und gedeckelt werden. Das Auktionsvolumen ist viel zu klein“, meint Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. Zudem blieben die besten Sonnenstandorte selbst dann oft tabu, wenn keine unmittelbare Konkurrenz mit anderen Nutzungsinteressen vorliege.

Auch Dr. Axel Berg, Vorsitzender des Vorstands der deutschen Sektion von Eurosolar, zweifelt am Erfolg der neuen Regeln: „Das Ziel des BMWi, die Ausbauziele kostengünstiger zu erreichen, kann mit der Verordnung nicht erreicht werden. PV-Freiflächenanlagen sind die Billigmacher der Energiewende. In absehbarer Zeit werden sie günstiger zu bauen sein als Windenergieanlagen an Land.“ Der Eurosolar-Sprecher fordert die Bundesregierung auf, beim bisherigen EEG-System zu bleiben. Zudem sollten die anzulegenden Werte sowie Flächenvorgaben angepasst werden, um mindestens einen Zubau mit PV-Freiflächenanlagen in der Größenordnung von 1.500 MW pro Jahr anstatt der jetzt angestrebten durchschnittlich 400 MW pro Jahr zu erzielen.

Grundsätzlich kann der Solar-Unternehmer Bernhard Beck, Geschäftsführer der Belectric-Gruppe, dem neuen System etwas Positives abgewinnen. Wie er im Interview mit den Solarthemen erklärte, sehe er eine Chance im Ausschreibungsmodell, weil man damit weg komme von den politisch geprägten Einspeisetarifen. Wenn die Bundesregierung Freiflächen-Solarkraftwerke haben möchte, dann sei es nicht falsch, wenn die Solarindustrie ihren Preis definiere, zu dem sie diese liefern kann, erklärte Beck. Doch auch er sieht Mängel in der konkreten Ausgestaltung und meint damit insbesondere die Flächenkulisse. Beck gegenüber den Solarthemen: "Aber mit der nun geplanten Restriktion in der Fläche wird das marktwirtschaftliche Instrument nicht sauber funktionieren."

Was andere EE-Verbände sagen

Da der Pilot zukünftig auch für weitere regenerative Energiebranchen eine Rolle spielen wird, haben sich nicht nur Solarverbände zu Wort gemeldet. Der BEE als deutscher Dachverband für erneuerbare Energien findet, dass der Verordnungsentwurf für Photovoltaik-Freiflächenanlagen es erschwere, die drei Ausschreibungsziele – Kosteneffizienz, Erreichung der Ausbauziele und Wahrung der Akteursvielfalt – zu erreichen. Auch nach Ansicht des BEE ist bereits das Auktionsvolumen für Solarkraftwerke (500 MW, 2015) zu niedrig angesetzt. Besonders kritisch sieht der BEE zudem, dass der Verordnungsentwurf keine Sonderregelungen für kleine Unternehmen und Bürgerenergie enthält. „Wirtschaftsminister Gabriel leitet mit diesem Entwurf das Ende der Vielfalt in der Energiewende ein“, sagt BEE-Geschäftsführer Dr. Hermann Falk.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) warnt davor, eine 1:1 Übertragung auf andere Energieerzeugungsarten vorzunehmen. Bei Wind an Land gebe es Erfahrungen in mehreren Ländern, die zeigen, dass die genannten Ziele der Bundesregierung kaum zu erreichen seien. Der BWE hat dazu eigens eine Untersuchung erstellen lassen (direkt zur Studie des BWE).

Selbst BDEW und VKU fordern mehr Flächen

Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist die Verordnung hingegen insgesamt eine gute Grundlage, um mit Auktionen für Erneuerbare Energien erste Erfahrungen zu sammeln, so die Einschätzung von Hildegard Müller, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Müller vertritt auch eine etwas andere Bewertung der möglichen Zielerreichung: „Hauptziel dieser Maßnahme ist, die Kosteneffizienz bei der Förderung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu steigern. Diesem Ziel kommen wir mit der beschlossenen Verordnung nun näher."

Dem letzten BDEW-Punkt schließt sich auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) an: Zwar sei das vorgesehene Ausschreibungssystem „bei richtiger Ausgestaltung das geeignete Mittel, um im Wettbewerb eine kosteneffiziente Allokation der Förderung des Ausbaus von neuen Erneuerbaren-Energien-Anlagen sicherzustellen“, so VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Doch er ist auch der Überzeugung, dass Beschränkungen der Fläche „zu einer Verknappung und damit zu steigenden Grundstückspreisen“ führen, wodurch die Gesamtkosten der Stromproduktion in die Höhe getrieben würden. Daher spricht sich auch der VKU für einen Wegfall der im derzeitigen Entwurf fortbestehenden Flächenbeschränkungen aus.

Quelle: IWR Online
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