23.11.2016, 09:29 Uhr

Klimaschutz durch Turbo-Photosynthese

Marburg – Zwei Strategien können im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Entweder man vermeidet die Entstehung des Treibhausgases oder man wandelt bereits entstandenes Kohlendioxid um. Forscher haben nun einen effizienten Weg gefunden.

Der Abbau von Kohlendioxid (CO2) könnte sich künftig mit einem neuen biologischen Mittel aus der Atmosphäre entfernen lassen. Diese Art der künstlichen Photosynthese verläuft dabei deutlich effizienter als in der Natur selbst. Ein weiterer interessanter Ansatz, um klimaschädliches CO2 in der Atmosphäre abzubauen.

Forschungs-Photosynthese mit 20 Prozent höherer Effizienz

Ein Team um Tobias Erb, Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, hat nach dem Vorbild der Photosynthese einen künstlichen, aber komplett biologischen Stoffwechselweg entwickelt, der Kohlendioxid aus der Luft bindet. Diese Reaktion gelingt Erb und seinem Team dabei mit 20 Prozent höherer Effizienz, als Pflanzen das auf dem Weg der Photosynthese schaffen. Die Forscher haben das neue System, das sie in dieser Woche im Wissenschaftsmagazin Science vorstellen, zunächst theoretisch geplant und dann im Labor in die Realität umgesetzt. Erb ist der Auffassung, dass man neue Wege finden müsse, um das überschüssige CO2 nachhaltig aus der Luft zu entfernen und in etwas Nützliches umzuwandeln.

Natürlicher Calvin-Zyklus zur Photosynthese in Pflanzen langsam und fehlerhaft

Pflanzen produzieren aus dem CO2 über einen schrittweisen Prozess, den sogenannten Calvin-Zyklus, Zucker für ihre Ernährung. Jeder biochemische Schritt hin zum Zucker wird von einem eigenen Enzym angestoßen beziehungsweise beschleunigt. Doch es gibt ein Problem: Das CO2-bindende Enzym des Calvin-Zyklus in Pflanzen, in Fachkreisen RuBisCo genannt, ist vergleichsweise langsam und fehleranfällig, denn es nimmt im Schnitt bei jeder fünften Reaktion statt eines CO2- ein Sauerstoffmolekül auf.

17 Spezial-Enzyme können CO2 effizienter umwandeln

„Da gibt es in der Natur CO2-fixierende Enzyme ganz anderer Qualität“, betont Erb. Solche Enzyme, die schneller und effizienter sind als die RuBisCo in Pflanzen, arbeiten natürlicherweise im Stoffwechsel von Mikroorganismen. Eines dieser Enzyme, mit dem unaussprechlichen Namen „Crotonyl-CoA Carboxylase/Reductase“, hat Erb selbst aus einem Bakterium isoliert. Dieses Enzym irrt sich so gut wie nie und arbeitet zudem gewissermaßen mit einem Turbo: Es funktioniert zwanzigmal schneller als sein Gegenstück aus der Pflanzenwelt. Um diesen „Turbo“ einsetzen zu können, mussten die Forscher allerdings den gesamten Stoffwechselweg neu gestalten.

Am Ende stand ein künstlicher CO2-fixierender Zyklus – etwas, das in dieser Art nach Erbs Wissen „noch niemand geschafft haben dürfte.“ Beteiligt sind 17 verschiedene Enzyme, darunter drei „Designer-Enzyme“, aus neun verschiedenen Organismen bis hin zum Menschen. Unterm Strich bindet der neu kreierte sogenannte „CETCH-Zyklus“ CO2 mit 20 Prozent höherer Effizienz als der Calvin-Zyklus der Pflanzen.

Treibhausgas nutzbringend umwandeln

Für die praktische Anwendung könnten die nötigen Gene für den Zyklus in ein Bakterium oder eine Alge verfrachtet werden. Diese veränderten Mikroorganismen würden dann das jeweils gewünschte Produkt herstellen – und könnten dazu einfach das CO2 aus der Atmosphäre verwenden. Sie würden also das atmosphärische Treibhausgas nutzbringend umwandeln. Der CETCH-Zyklus könnte sich aber auch an Solarzellen koppeln lassen und die Elektronen, die diese liefern, zur Umwandlung von CO2 in nützliche chemische Verbindungen verwenden.

Quelle: IWR Online

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