18.11.2025, 10:50 Uhr

Meilenstein für Solarstrom: Solarpark erstmals für automatische sekundäre Regelleistung präqualifiziert


© Enerparc

Berlin - Erstmals zeigt ein deutscher Photovoltaikpark, dass Solarstromanlagen aktiv zur Stabilität des Stromnetzes beitragen können. Die erfolgreiche Präqualifizierung für den Regelleistungsmarkt markiert einen Meilenstein auf dem Weg zu einem vollständig erneuerbaren Energiesystem, das Schwankungen im Netz ausgleichen kann.

Ein 37-Megawatt-PV-Park in Thüringen liefert nun sogenannte automatische sekundäre Regelleistung (aFRR) und kann sowohl positive als auch negative Systemanpassungen bereitstellen. Die Kooperation von 50Hertz, Sunnic Lighthouse und Entelios zeigt, wie technische Innovation, Messtechnik und KI-Prognosen erneuerbare Anlagen fit für zentrale Netzdienstleistungen machen.

Erneuerbare auf dem Regelleistungsmarkt: Erstmals übernimmt ein PV-Parkk Verantwortung für Netzstabilität

Regelleistung hat in einem Stromsystem, das zunehmend von erneuerbaren Energien geprägt ist, eine zentrale Bedeutung. Sie gleicht im Fünf-Minuten-Takt Abweichungen der Netzfrequenz aus und wird täglich über regelleistung.net ausgeschrieben. Dass eine PV-Anlage die hierfür nötigen technischen und regulatorischen Anforderungen erfüllt und zur Ausbalancierung des Stromsystems beitragen kann, galt allerdings lange als schwierig. Umso größer dürfte die Bedeutung des jetzt erreichten Meilensteins sein.

Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, der Solarparkbetreiber Sunnic Lighthouse und der Flexibilitätsdienstleister Entelios zeigen, dass auch die als wetterabhängig und daher wenig planbaren Wind- und Solaranlagen aktiv zur Netzstabilität beitragen können.

Der 37-Megawatt-PV-Park in Schkölen, Thüringen, wurde nun erfolgreich für die Teilnahme am Regelleistungsmarkt präqualifiziert. Damit kann der Park automatische sekundäre Regelleistung (aFRR) bereitstellen. Diese Leistung dient dazu, kurzfristige Schwankungen im Stromnetz auszugleichen und die Netzfrequenz um den Sollwert von 50 Hertz stabil zu halten. aFRR wird innerhalb weniger Minuten abgerufen, wenn Bilanzkreise nicht ausgeglichen sind, Wetterabweichungen auftreten oder konventionelle Kraftwerke ausfallen.

50Hertz-COO Dr. Dirk Biermann unterstreicht den strategischen Charakter: „Im Stromsystem der Zukunft sind Wind- und Solarkraft nicht nur die tragende Säule der Stromerzeugung, sie müssen mit dem Wegfall konventioneller Kraftwerke auch nach und nach Verantwortung für die Systemstabilität übernehmen.“ Die Präqualifizierung sei ein erster wichtiger Schritt, um praktische Erfahrungen zu sammeln.

Technische und organisatorische Voraussetzungen: KI, Messtechnik und flexible Betriebsführung

Um die Vorgaben des Regelleistungsmarktes erfüllen zu können, entwickelten 50Hertz, Sunnic Lighthouse und Entelios ein umfassendes Gesamtkonzept. Dazu gehören eine modernisierte Messtechnik, ein strukturiertes Datenmanagement und ein KI-gestütztes Prognosesystem, das Einspeiseprofile mit hoher Genauigkeit vorhersagen kann. Die Anforderungen sind hoch, da aFRR innerhalb von fünf Minuten abgerufen werden muss und die Bereitstellung exakt nachgewiesen werden muss.

Im praktischen Betrieb bedeutet dies, dass der PV-Park künftig im Fall eines Stromüberschusses seine Einspeisung kurzfristig reduziert. Bei einer Unterdeckung der Bilanzkreise läuft es umgekehrt: Die Anlage speist ein und kann sogar in Phasen negativer Börsenstrompreise zur Stabilisierung beitragen. Dieser doppelte Mechanismus verschiebt die Rolle von PV-Anlagen von reinen Einspeisern hin zu aktiven Systemdienstleistern.

Sunnic Lighthouse bringt als erfahrener Direktvermarkter ein umfangreiches Portfolio von mehr als 4,8 Gigawatt installierter Leistung ein. Entelios wiederum steuert seine Expertise in der Flexibilisierung von Energieanlagen und im Intraday-Handel bei. Zusammen entsteht ein technologisch wie marktwirtschaftlich tragfähiger Ansatz, um erneuerbare Erzeuger auf dem Regelleistungsmarkt zu etablieren.

Präqualifizierung öffnet Türen für weitere PV-Parks

Die erfolgreiche Präqualifizierung gilt als Türöffner für weitere Solarparks im Netzgebiet von 50Hertz und darüber hinaus. Wenn sich die Prozesse bewähren, könnte der Anteil erneuerbarer Anlagen auf dem Regelleistungsmarkt deutlich steigen. Damit wäre ein wichtiger Beitrag geleistet, um ein zunehmend erneuerbares Energiesystem robust, flexibel und resilient zu gestalten. Weitere Anlagen von Sunnic Lighthouse in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt befinden sich nach Unternehmensangaben bereits im Präqualifikationsprozess.

Quelle: IWR Online

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