06.05.2019, 16:46 Uhr

Bedarf an Reservekraftwerken geht im nächsten Winter deutlich zurück


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Bonn - Um Überlastungen des Stromnetzes zu verhindern, müssen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Netzreservekraftwerke vorhalten. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die von den ÜNB vorgelegte Bedarfsanalyse für die Winterhalbjahre 2019/2020 sowie 2022/2023 bestätigt. Demnach sinkt der Bedarf zunächst deutlich, verdoppelt sich später aber.

Die Vorhaltung der Netzreserve dient dazu, Überlastungen im Übertragungsnetz zu verhindern. Dieser „Redispatch“ genannte Ausgleichsmechanismus wird zunächst mittels am Markt agierender Kraftwerke durchgeführt. In bestimmten Netzsituationen reichen diese Kraftwerke jedoch nicht zur Netzentlastung aus und zusätzlich Netzreservekraftwerke müssen eingesetzt werden.

Temporärer Rückgang des Netzreservebedarfs im Winter 2019/2020

Die ÜNB hatten der BNetzA am 28. Februar 2019 ihre Systemanalyse und den daraus resultierenden Bedarf an Netzreservekraftwerken für das kommende Winterhalbjahr 2019/2020 vorgelegt. Der Bedarf an Erzeugungskapazitäten aus Netzreservekraftwerken liegt demnach bei 5.126 Megawatt (MW). Verglichen mit dem für den Winter 2018/2019 festgestellten Bedarf von 6.600 MW reduziert sich der Netzreservebedarf um 1.474 MW. Ein wichtiger Grund für die Reduktion liegt nach Angaben der BNetzA in Fortschritten bei der effizienteren Ausnutzung des vorhandenen Netzes, v.a. hinsichtlich des witterungsabhängigen Freileitungsmonitorings, bei dem die Leitungsauslastung der Außentemperatur angepasst wird. Zudem hat die Fertigstellung einiger Stromleitungen im Zuge des Netzausbaus wie erwartet dazu beigetragen, den Netzreservebedarf zu senken.

Nach Angaben von BNetzA-Präsident Jochen Homann kann der Bedarf aus inländischen Reservekraftwerken gedeckt werden. Die deutschen ÜNB müssen daher keine Leistung aus ausländischen Kraftwerken beschafft werden“, so Homann weiter

Signifikanter Wiederanstieg des Netzreservebedarfs

Neben dem Bedarf im nächsten Winterhalbjahr wird von den ÜNB regelmäßig auch der Bedarf für einen weiter in der Zukunft liegenden Winter ermittelt. Für den diesmal betrachteten Winter 2022/2023 kommen die ÜNB auf einen Netzreservebedarf 10.647 MW, der damit in etwa doppelt so hoch ist wie im Winter 2019/2020. Der deutliche Anstieg hat nach Angaben der BNetzA verschiedene Gründe.

Nach der neuen europäischen Stromhandelsverordnung von 2019 muss der Umfang an Transportkapazitäten, der Stromhändlern für den grenzüberschreitenden Stromhandel zur Verfügung steht, in den nächsten Jahren schrittweise erhöht werden. Um diese zusätzlichen Kapazitäten bereitzustellen, werden die ÜNB regelmäßig zusätzliche Redispatch-Maßnahmen durchführen müssen. Die Umsetzung des geplanten Netzausbaus bleibt daher wesentliche Bedingung dafür, die erwarteten Steigerungen infolge der verpflichtenden Kapazitätssteigerungen an den Grenzen bis zum Jahr 2025 zu dämpfen und langfristig die Netzreserve abzulösen, so die BNetzA.

Zudem gehen Ende 2022 die letzten Kernkraftwerke außer Betrieb, wodurch sich das Gefälle der installierten Erzeugungskapazitäten zwischen Nord- und Süddeutschland vergrößern wird. Die daraus resultierende Zunahme des Transportaufkommens zwischen dem erzeugungsreichen Norden und dem vergleichsweise erzeugungsarmen Süden Deutschlands sorge ebenfalls für eine Erhöhung des Redispatchbedarfs.

Der ermittelte Netzreservebedarf im Winter 2022/2023 ist zwar höher als die zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich verfügbare Leistung der inländischen Netzreservekraftwerke. Von einem Interessenbekundungsverfahren zur Beschaffung von Netzreserveanlagen aus ausländischen Kraftwerken wird derzeit aufgrund der Prognoseunsicherheit für 2023/203 allerdings noch abgesehen. Die BNetzA will daher an der Praxis festhalten, Netzreserve im Ausland erst zu kontrahieren, wenn die Bedarfsanalyse für den unmittelbar folgenden Winter einen entsprechenden Bedarf ergibt.

Quelle: IWR Online

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