17.07.2008, 11:00 Uhr

Bioenergie und Nahrungsmittelpreise - Niedersachsens Landwirtschaftsminister Ehlen stellt Weltbank-Studie in Frage

Hannover - Biotreibstoffe geraten immer wieder in den Fokus der Kritik. Studien, die die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen in Frage stellen, werden von den internationalen Medien gerne aufgenommen und zitiert.
Medienwirksame Schlagzeilen zu erhöhten Lebensmittelpreisen wiegen dabei häufig schwerer als der kritische Umgang mit diesen Studien. So kursieren derzeit Zahlen einer bislang nicht veröffentlichten Analyse der Weltbank zu den Auswirkungen von Biosprit auf die Lebensmittelpreise. Erst kürzlich hat auch die OECD den Klimaschutzbeitrag von Biokraftstoffen in einer Studie erneut in Frage gestellt.
In der noch nicht zur Veröffentlichung freigegebenen Studie von Donald Mitchell, Chef-Ökonom der Gruppe Entwicklungsperspektiven der Weltbank, kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass 75 Prozent des Anstiegs der Lebensmittelpreise im Zeitraum 2002 bis 2008 auf das Konto der Biotreibstoffe gingen. Kernthese seiner Analyse ist, dass die Versorgungsbilanzen bei Getreide und Ölsaaten ausgeglichen wären, wenn es den Boom der Biotreibstoffe nicht gegeben hätte. Daher wird der dramatische Preisanstieg bei Lebensmitteln den "neuen" Nachfragern Ethanol und Biodiesel angelastet.
Weltbank-Studie lässt empirische Fragen offen
Die Weltbank hat sich diese Ergebnisse bisher nicht zu Eigen gemacht. Eine kritische Durchsicht der Studie im niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung kommt zu dem Ergebnis, dass die genannten Zahlen methodisch und empirisch nicht gestützt werden. Wichtige Einflussgrößen, die nach übereinstimmender Bewertung vieler Experten zur aktuellen Unterversorgung der Nahrungsmittelmärkte und damit zum Preisanstieg beigetragen haben, bleiben unberücksichtigt. Andere werden demgegenüber quantifiziert, ohne dass allerdings tiefer gehende Analysen vorgenommen wurden.
Minister hegt Zweifel an Weltbank-Studie - Gründe für hohe Lebensmittelpreise liegen woanders
"Angesichts dieser Grundlage sind zumindest Zweifel an den Ergebnissen angebracht, keinesfalls gilt für Niedersachsen, was für USA oder Argentinien unterstellt wird!" Minister Ehlen sieht sich vor dem Hintergrund der laufenden Diskussion in der niedersächsischen Bioenergie-Strategie bestärkt: "Wir haben beim Ausbau der Bioenergie hier in Niedersachsen eine eindeutige Schwerpunktsetzung im Bereich Biogas. Die Konkurrenzsituation mit Nahrungsmitteln ist weit weniger ausgeprägt als bei anderen Bioenergielinien, denn hier können Ganzpflanzen, aber auch Gülle und Abfälle verwertet werden."
Der spürbare Anstieg der Agrarrohstoffpreise sei hingegen auf das Zusammentreffen verschiedener Faktoren zurückzuführen: Wachsende Kaufkraft und Anstieg der Nachfrage nach veredelten Produkten (Fleisch, Milchprodukte) insbesondere im asiatischen Raum (China, Indien), weltweites Bevölkerungswachstum, starker Anstieg der Rohölpreise und damit auch steigende Produktionskosten in der Landwirtschaft, begrenzte landwirtschaftliche Nutzflächen, teilweise abnehmende Ertragssteigerungen und damit nur langsam anwachsende weltweite Nahrungsmittelproduktion sowie andauernder Nutzflächenverlust für Siedlungs- und Infrastrukturzwecke sowie für Kompensationsmaßnahmen nach Naturschutzrecht. Hinzu kämen historisch niedrige Weltgetreidevorräte, Handelsbeschränkungen, politische Instabilitäten in bestimmten Weltregionen, Vernachlässigung der Landwirtschaftspolitik in vielen Entwicklungsländern sowie spekulative Investments in Agrarrohstoffe, teilte das Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen mit.
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Quelle: iwr/17.07.2008/