Eavor-Loop in Geretsried liefert erstmals Strom: Durchbruch für Closed-Loop-Geothermie und grundlastfähige Energie

© Luckypage (Matthias Boch)
Calgary (Kanada) / Geretsried - In Geretsried speist erstmals ein kommerzielles Closed-Loop-Geothermiesystem Strom ins deutsche Netz ein. Eavor Technologies erreicht damit einen Meilenstein und positioniert die geothermische Direktwärme und Stromproduktion als potenziell skalierbare, grundlastfähige Option im Energiemarkt.
Die Anlage demonstriert die Funktionsfähigkeit eines geschlossenen Bohrkreislaufs, der Wärme aus tiefen Gesteinsschichten nutzt. Investoren und europäische Institutionen sehen darin eine Blaupause für die Skalierung der Geothermienutzung. Die ersten Betriebsdaten bestätigen hohe Stabilität, technische Reife sowie Fortschritte bei Bohrtechnik und Systemdesign.
Meilenstein für die internationale Geothermienutzung
Mit der Inbetriebnahme des Eavor-Loop speist das kanadische Unternehmen seit Anfang Dezember Strom in das deutsche Netz ein. „Wir sind stolz, die erfolgreiche Einspeisung der weltweit ersten Elektronen aus geschlossenen, multilateral angelegten Bohrungen bekannt zu geben. Da Geretsried nun in Betrieb ist, sind wir zuversichtlicher denn je, dass unser geschlossenes Geothermiesystem - entwickelt für hohe Anpassungsfähigkeit und geeignet für die unterschiedlichsten Regionen der Welt - sich als führende Lösung für kommerzielle Geothermieanwendungen etablieren wird“, so Mark Fitzgerald, Präsident und CEO von Eavor. „Wir sind unseren Projektpartnern besonders dankbar für ihr Vertrauen und ihre frühen Investitionen, die entscheidend waren, um die Lernphase des Erstprojekts voranzutreiben und die Projektentwicklung zu beschleunigen“, ergänzt Fabricio Cesário, Leiter Projektabwicklung und Betrieb, Eavor GmbH.
Das Projekt kommt ohne natürliche geothermische Wasserreservoirs aus und erfordert weder eine Durchlässigkeit des Gesteins noch Reinjektion. Damit reduziert sich der technische Aufwand im Untergrund erheblich, während der Betrieb weitgehend wartungsarm bleibt. Geretsried bildet die Grundlage eines geplanten Rollouts in Europa und weiteren Märkten.
Technik: Wie der geschlossene Loop Wärme gewinnt
Der Eavor-Loop funktioniert wie ein großer, unterirdischer Heizkörper mit vollständig geschlossenen Rohren. Zwei tiefe Vertikalbohrungen sind über horizontale Stränge verbunden, die einen geschlossenen Kreislauf bilden. Darin zirkuliert eine Arbeitsflüssigkeit, die vollständig vom geologischen Umfeld isoliert bleibt.
Die Zirkulation erfolgt weitgehend ohne Pumpe durch den Thermosiphon-Effekt: Kälteres Fluid sinkt ab, erwärmt sich in tiefen Gesteinsschichten und steigt selbstständig wieder auf. Nach etwa 30 Minuten konnte die Anfahrpumpe abgeschaltet werden. Das System hat zudem bewiesen, dass es schwarzstartfähig ist, schnell regelbar und über Monate im Umlaufbetrieb ohne Last betrieben werden kann.
Die Bohrphase war technisch anspruchsvoll: Zwei Vertikalbohrungen mit jeweils sechs horizontalen seitlich abgezweigten Bohrungen (insgesamt 12) wurden mithilfe des Active Magnetic Ranging Tools „toe to toe“ unterirdisch verbunden. So entstanden sechs Paare, die den unterirdischen Wärmetauscher bilden. Die Bohrungen zählen mit je 16 Kilometern pro Paar zu den längsten der Welt. Begleitende Daten zeigen eine 50-prozentige Reduktion der Bohrzeit pro Strang und eine Verdreifachung der Standzeiten der Bohrmeißel.
Europäische Institutionen setzen auf neue geothermische Optionen
Die Inbetriebnahme stößt bei europäischen Institutionen auf große Resonanz. EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer bezeichnete das Projekt als europäische Erfolgsgeschichte in Aktion: „Die erste kommerzielle Eavor-Loop-Anlage zeigt, dass Geothermie im großen Maßstab erschwingliche, saubere und zuverlässige Wärme und Strom für Haushalte und Unternehmen liefern kann - Tag und Nacht, in jeder Jahreszeit. Sie reduziert Emissionen und stärkt die Energiesicherheit.“ Die Bank unterstützt die Anlage mit einem InvestEU-gedeckten Kredit von knapp 45 Millionen Euro. Auch der Canada Growth Fund und der japanische Versorger CHUBU sehen darin einen industriell relevanten Technologiesprung.
Projektpartner OMV verweist auf die stadtnahe und grundlastfähige Nutzbarkeit. Die gewonnenen Daten sollen in weitere Entwicklungsprojekte einfließen, die Eavor in Europa und global plant.
Quelle: IWR Online
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