28.09.2021, 13:05 Uhr

Energie- und Wirtschaftsverbände fordern Tempo und Mut bei Regierungsbildung


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Berlin - Nach dem Sieg der SPD bei der Bundestagwahl 2021 erscheint eine Ampel-Koalition mit FDP und Grünen derzeit als wahrscheinlichste Regierungs-Variante. Mit Blick auf die zähen Koalitionsverhandlungen 2017 mahnen Energie- und Wirtschaftsverbände angesichts der großen Herausforderungen eine rasche Regierungsbildung und Aufnahme der Regierungsgeschäfte an.

Während sich die Parteien nach der Bundestagswahl noch sortieren und die Koalitionsgespräche langsam anlaufen, setzen Energie- und Wirtschaftsverbände auf ein hohes Tempo bei der Regierungsbildung und ein schnelles Erreichen der politischen Handlungsfähigkeit. Nachfolgend einige Stimmen von Energie- und Wirtschaftsverbänden zu den kurzfristigen Erwartungen an eine neue Bundesregierung.

BDEW und VKU mahnen schnelles und zielgerichtetes Handeln beim Energie- und Klima-Thema an

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmer (VKU) erwarten nach der Bundestagwahl schnelle Entscheidungen im Bereich der Energie- und Klimapolitik.

BDEW Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae fordert zügige Entscheidungen für den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und Entlastung bei Energiepreisen. Es dürfe jetzt keine monatelange Hängepartie geben. „Egal welche Koalition es am Ende sein wird: Jede neue Regierung muss schnell ins Handeln kommen. Das ist angesichts der Ziele und Vorgaben aus dem deutschen Klimaschutzgesetz und dem „Fit for 55“-Paket der Europäischen Union unerlässlich“, so Andrea. Die künftige Koalition müsse außerdem den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft vorantreiben. Dies werde eines der wichtigsten energie- und industriepolitischen Handlungsfelder der kommenden Legislaturperiode, so Andreae weiter.

Aus VKU-Sicht steht die nächste Bundesregierung vor den zentralen Fragen, wie die verschärften Klimaziele erreicht und wie Ver- und Entsorgung, d.h. Daseinsvorsorge für Wirtschaft und Menschen sicher und bezahlbar bleiben und gleichzeitig Wohlstand und Wirtschaftskraft gesichert werden können. „Wir brauchen dafür generell mehr Planungs- und Investitionssicherheit sowie attraktive Investitionsbedingungen für alle Bereiche und Sektoren auch über eine Legislaturperiode hinaus. Vor allem aber schnelle und zielgerichtete Entscheidungen und Umsetzungskonzepte: Binnen 100 Tagen ein Erneuerbare Energien-Programm und ein Infrastruktur-Update für den Ausbau - weil jede Tonne eingespartes CO2 zählt“, so VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

BEE: Klimaschutz, Beschäftigung und sozialen Ausgleich als zentralen Wählerauftrag voranbringen

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) fordert, die nächsten vier Jahre zu einer Legislatur des Handelns für Zukunft und Standort zu machen. Besserer Klimaschutz und eine innovationsstarke Industriepolitik lassen sich verbinden und durch eine Neuorganisation von Beschäftigung und sozialem Ausgleich erfolgreich gestalten, setzt der BEE auf eine beschleunigte ökologische Modernisierung der gesamten Energiewirtschaft. „Hierbei gilt es, an frühere Erfolge Deutschlands als Energiewendevorreiter anzuknüpfen und die Rahmenbedingungen für das moderne Energiesystem der Zukunft auf den Weg zu bringen“, fordert BEE-Präsidentin Simone Peter zügige und konzentrierte Verhandlungen. Es brauche noch in diesem Jahr eine neue Bundesregierung und einen Startschuss für Investitionen in eine zukunftsfähige Energieversorgung, so Peter weiter.

DIW-Präsident setzt auf Mut zur Veränderung

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) mahnt schnelle wegweisende Entscheidungen zum Klimaschutz, zur digitalen Transformation und zur sozialen Erneuerung der neuen Bundesregierung an. „Wenn ihr dies nicht gelingt, wird Deutschlands wirtschaftlicher Wohlstand auf dem Spiel stehen und Europa Gefahr laufen, im Systemwettbewerb mit China und den USA ins Hintertreffen zu geraten“, so Fratzscher. Die neue Bundesregierung sollte in den ersten 100 Tagen ein überzeugendes Programm mit Schwerpunkt Zukunftsinvestitionen, Entbürokratisierung und einer stärkeren Integration Europas angehen. „Wir brauchen endlich mehr Mut zur Veränderung“, so Fratzscher.

BDI fordert Verwaltungsreform, schnellere Planungsverfahren und Wachstumsprogramm 2030

„Angesichts des unklaren Wahlausgangs erwartet die deutsche Industrie jetzt von allen Parteien maximale Verantwortung und Anpacken der Prioritäten statt taktischer Manöver. Deshalb muss die Bereitschaft zu wegweisenden Entscheidungen zugunsten unseres Standorts das Leitprinzip für jede Koalitionsverhandlung sein, um den Stillstand zu überwinden“, so BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Um die enormen Herausforderungen Klimaschutz, digitaler Wandel und geopolitische Krisen zu bewältigen, brauche es konkrete Antworten wie den Start einer Verwaltungsreform, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein Wachstumsprogramm 2030, so Rußwurm weiter.

Für Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, kommt es bei den zentralen Herausforderungen entscheidend auf die europäische Politik an. Deutschland müsse sich jetzt dringend mit starker Stimme in Brüssel einbringen, damit ein Green Deal ohne Verluste der industriellen Wertschöpfung möglich wird. „Mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen kann die Stahlindustrie in Deutschland einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der klimapolitischen Ziele leisten“, so Kerkhoff weiter.

Da „die aktuellen Probleme nicht auf eine neue Regierung warten“, mahnt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) an, dass Deutschland schnellstmöglich wieder politisch handlungsfähig wird. Damit Deutschland ein international wettbewerbsfähiger Chemie- und Pharmastandort bleibt, müsse die neue Regierung mit Beginn der Legislaturperiode unmittelbar vor allem auf den Feldern Stromkosten, Forschungsförderung, Bürokratieabbau, Genehmigungsverfahren und Unternehmenssteuern tätig werden, betont VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.

Quelle: IWR Online

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