29.01.2013, 11:06 Uhr

EU steckt eine Milliarde Euro in Graphen-Forschung

Brüssel, Belgien - Die Europäische Kommission hat die Gewinner eines mit mehreren Milliarden Euro dotierten Wettbewerbs auf dem Gebiet der künftigen und neu entstehenden Technologien (FET) bekanntgegeben. Als Wettbewerbsgewinner werden die Initiativen "Graphene" und "Human Brain Project" jeweils eine Milliarde Euro erhalten, damit sie zehn Jahre lang weltweite wissenschaftliche Spitzenforschung am Schnittpunkt von Wissenschaft und Technik durchführen können. An jedem der beiden Vorhaben beteiligen sich Forscher aus mindestens 15 EU-Mitgliedstaaten sowie fast 200 Forschungseinrichtungen.

Graphen: Extrem dünn und fest, gute Stromleitfähigkeit

"Graphene" bezweckt die Untersuchung und Nutzung der einzigartigen Eigenschaften eines revolutionären, auf Kohlenstoff basierenden Werkstoffs. Graphen ist die Bezeichnung für eine Modifikation des Kohlenstoffs mit zweidimensionaler Struktur. Das Material weist eine außergewöhnliche Kombination physikalischer und chemischer Eigenschaften auf: Es ist der dünnste Stoff, leitet elektrischen Strom besser als Kupfer, ist 100- bis 300-mal fester als Stahl und hat einzigartige optische Merkmale. Der Einsatz von Graphen wurde 2004 durch europäische Wissenschaftler möglich gemacht. Dieser Stoff könnte zum Wundermaterial des 21. Jahrhunderts werden, wie Plastik im 20. Jahrhundert, und sogar Silikon in IKT-Produkten ersetzen. Das Projekt "Graphene" wird von Prof. Jari Kinaret von der schwedischen Chalmers-Universität geleitet. Es beteiligen sich daran über 100 Forschergruppen mit 136 Hauptforschern, darunter vier Nobelpreisträgern. Im "Human Brain Project" geht es um den Aufbau der bislang größten Versuchsanlage für die Entwicklung eines detaillierten Modells des menschlichen Gehirns.

Graphen möglicherweise auch für Photovoltaik interessant

Nach Aussage von Forschern des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz könnte Graphen unter anderem auch Solarzellen effizienter machen. Anders als das in der Regel eingesetzte Indiumzinnoxid ist es auch für einen bestimmten Anteil des infraroten Sonnenlichts durchsichtig, das etwa die Hälfte der Sonneneinstrahlung auf der Erde ausmache. Im Jahr 2010 wurden die Wissenschaftler Andre Geim und Konstantin Novoselov für ihre Untersuchungen am neuen Werkstoff Graphen mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Sie hatten unter anderem eine Reihe von ungewöhnlichen Eigenschaften des Materials entdeckt. Graphen und ähnliche Stoffe könnten die IKT kurz- und langfristig tiefgreifend verändern, indem z.B. Graphen-Komponenten in herkömmliche Silikon-Elektronik integriert werden und diese schrittweise ersetzen, oder dadurch, dass völlig neue Anwendungen möglich werden. Über die IKT hinaus wird sich die Graphen-Forschung auch erheblich auf die Bereiche Energie und Verkehr, aber auch das Gesundheitswesen auswirken, so die Europäische Kommission.


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