18.12.2013, 10:48 Uhr

EU uneins bei Biokraftstoffen – Dieselantriebe auf dem Vormarsch

Brüssel, Straßburg - Der EU-Ministerrat hat in der vergangenen Woche einen Vorschlag der litauischen Ratspräsidentschaft zur Neuregelung des Biokraftstoff-Gesetzgebung in der EU abgelehnt. Die Aufweichung des Ziels, zehn Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs mit erneuerbaren Energien zu decken, durch Mehrfachanrechnung bestimmter Biosprit-Sorten und die Art der Berücksichtigung von indirekten Landnutzungsänderungen waren ausschlaggebend. Während die EU diskutiert, erfreuen sich in Deutschland die Dieselantriebe immer größerer Beliebtheit.

„Die Positionen der Mitgliedstaaten lagen zu weit auseinander“, berichtet die stellvertretende Umweltausschuss-Vorsitzende des Europäischen Parlaments Christa Klaß. Die Minister verwiesen den Vorschlag zurück in die zuständige Arbeitsgruppe. Dort sollen nun in den kommenden Monaten alternative Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden. Der Ausgang ist offen. Mit einem Abschluss des Verfahrens vor den Europawahlen im Mai 2014 sei nicht mehr zu rechnen, so die Einschätzung von Klaß.

Einer der zentralen Diskussionspunkte ist der Umgang mit den so genannten indirekten Landnutzungsänderungen (iLUC). Es sollen nämlich bei der Bewertung der Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen auch die geschätzten Folgen der globalen indirekten Landnutzungsänderungen berücksichtigt werden, die etwa zur Verdrängung von Regenwäldern oder Nahrungsmittelanbau zugunsten von Biokraftstoffen führen könnten. Die Verbände der Biokraftstoff-Industrie finden die vorgelegten Anrechnungsmodelle nicht belastbar genug und begrüßen überwiegend die Ablehnung des litauischen Vorschlags.

VDB: Kompromiss ohne geeigneten Regelungen gegen Regenwaldrodungen

Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) ist der Auffassung, dass der Vorschlag der litauischen Ratspräsidentschaft zu Recht abgewiesen worden ist. „Der Kompromiss enthielt keine geeigneten Regelungen, um Regenwaldrodungen zu stoppen. Er hätte aber die europäische Biokraftstoffindustrie und Landwirtschaft schwer beschädigt“, kommentiert Elmar Baumann, Geschäftsführer des VDB. Er fordert, tragfähige Konzepte zu entwickeln, mit denen das iLUC-Problem gelöst werden kann, ohne die Biokraftstoffproduktion in Europa abzuwürgen. Die iLUC-Problematik müsse an Ort und Stelle in den Ländern gelöst werden, in denen die Regenwaldabholzung stattfindet. Zudem sei es nicht zielführend, wenn nur der kleine Bereich der Biokraftstoffproduktion eine iLUC-Regelung erfährt, während die deutlich größeren Bereiche Lebensmittel, Futtermittel und Chemie nicht berücksichtigt werden.

BDBe fordert gesetzliche Methodik zur Ermittlung der iLUC-Effekte

Nach Auffassung des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) ist die Ablehnung des Kompromissvorschlages zu Biokraftstoffen ein deutliches Signal, dass bei Biokraftstoffen nur sachgerechte Regelungen eine Chance auf politische Mehrheiten haben. Wesentliche Gründe für die Ablehnung waren die vorgesehene doppelte Anrechnung von Biokraftstoffen aus Abfällen und Reststoffen auf den Mindestanteil von zehn Prozent erneuerbarer Kraftstoffe im Verkehr und die von der EU-Kommission vorgeschlagene Berichterstattung über Effekte indirekter Landnutzungsänderungen. Die Doppeltanrechnung hätte den Klimaschutz halbiert und die Autofahrer mit steigenden Kosten belastet, so der BDBe.

Der BDBe begrüßt zudem, dass eine Berichterstattung über Effekte indirekter Landnutzungsänderungen ohne wissenschaftlich abgesicherte Basis verhindert worden ist. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat die Mängel der noch sehr jungen Grundlagenforschung über iLUC aufgezeigt. Professor Harald von Witzke, Präsident des Humboldt-Forum for Food & Agriculture, kommt darin zu dem Schluss, dass der politische Umgang mit den wissenschaftlichen Arbeiten zu beanstanden ist. Dietrich Klein, Geschäftsführer des BDBe, folgert daraus: „In den jetzt anstehenden weiteren Beratungen sollte der Rat diese sinnlose Berichterstattung ablehnen. Die EU-Kommission sollte aufgefordert werden, in einem gesonderten Richtlinienvorschlag eine gesetzliche Methodik zur Ermittlung der Effekte indirekter Landnutzungsänderungen vorzulegen, sobald die Grundlagenforschung abgeschlossen ist und die wissenschaftlichen Ergebnisse tatsächlich belastbar sind.“

DIW: Diesel gewinnt weiter an Bedeutung

Eine Zwischenbilanz zu den alternativen Antrieben und Kraftstoffen im Deutschen Verkehr zieht der DIW Berlin in einer aktuellen Studie. Während die alternativen Formen stagnieren, gewinnt Diesel weiter an Bedeutung. Die Nutzung von Erdgas im Verkehr sei noch sehr gering und sollte weiter gefördert werden. Erdgas ist im Gegensatz zur Elektromobilität bereits heute verfügbar, effizient und schadstoffarm sowie offen für die künftige Nutzung erneuerbarer Energien.

Im Jahr 2012 gab es in Deutschland 54 Millionen Kraftfahrzeuge, die insgesamt fast 720 Milliarden Kilometer zurücklegten. Weder im Kraftfahrzeugbestand noch bei der Fahrzeugnutzung haben dabei alternative Antriebe und Kraftstoffe bisher deutliche Zuwächse erreicht. Der wichtigste Energieträger im Straßenverkehr bleibt der Dieselkraftstoff. Bei den Personenkraftwagen, die über vier Fünftel des gesamten Fahrzeugbestandes ausmachen, haben 29 Prozent inzwischen einen Dieselantrieb; auf diese entfallen 43 Prozent der Fahrleistungen. Der Anteil alternativer Kraftstoffe – also Erdgas, Flüssiggas und Biokraftstoffe - stagniert dagegen seit 2008 unter sieben Prozent. Erd- und Flüssiggas decken erst 1,5 Prozent des Bedarfs.

„Das Thema Elektromobilität, das die öffentliche Debatte beherrscht, mag zwar langfristig eine interessante Perspektive sein. Dennoch sollten die kurzfristig verfügbaren Alternativen nicht vernachlässigt werden“, sagt DIW-Verkehrsexperten Uwe Kunert.

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