Forschende am SIJ in Jülich speichern Hochtemperatur-Wärme mit bis zu 1.000 Grad
© FH Aachen / Arnd Gottschalk
Jülich - Zentrale Themen der Energiewende sind eine sichere und CO2-freie Wärme- und Stromversorgung aus regionalen Quellen sowie die sektorenübergreifende Vernetzung. Am Solar-Institut Jülich der FH Aachen (SIJ) wurde jetzt ein neuer Hochtemperaturspeicher eröffnet, der für die Strom- und Wärmebereitstellung eingesetzt werden kann.
Gemeinsam mit den Industriepartnern Kraftanlagen Energies & Services, Otto Junker und Dürr Systems hat das SIJ der FH Aachen mit Multitess einen Power-to-Heat-Speicher entwickelt, der es erlaubt, Energie in Form von Hochtemperaturwärme zu speichern ("beladen") und diese Wärme bei Bedarf wieder zu verstromen ("entladen"). Bei der Feier zur Eröffnung der Versuchsanlage in Jülich sagte Oliver Krischer, Minister für Umwelt und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, die Tess-Technologie könne zum Modell für viele Siedlungsbereiche sowie Gewerbe- und Industriegebiete werden.
Keramische Wabensteine als Speichermedium
Der Temperaturbereich oberhalb von Wärmepumpen, d.h. zwischen 150 und 1.000 Grad, stellt bei der CO2-freien Grundlastversorgung bisher technisch und wirtschaftlich eine große Herausforderung dar. Genau dieses Problem wird im Projekt Multitess am SIJ adressiert. Hierbei kommen erstmals ein elektrischer Hochleistungserhitzer in Verbindung mit einem Hochtemperaturspeicher und Wärmenutzung als Gesamtsystem bei einer Nenntemperatur von 1.000 Grad zum Einsatz. Dabei ermöglicht der Power-to-Heat-Speicher die Nutzung günstiger, aber volatiler erneuerbarer Energien für eine bedarfsgesteuerte industrielle Wärme- sowie gekoppelte Stromversorgung. Zusätzlich können auch externe Wärmequellen, etwa die Abwärme aus industriellen Prozessen, einbezogen worden. Ebenso ist es denkbar, die gespeicherte Wärme nicht nur zur Stromproduktion, sondern auch zur Einspeisung in öffentliche Fernwärmenetze oder zur Bereitstellung von Prozesswärme für die (Schwer-)Industrie zu nutzen.
Herzstück der Anlage im Jülicher Brainergy-Park ist ein sechs Meter hoher, blauer Kaminanbau. Im Inneren befinden sich mehrere Schichten keramischer Wabensteine, die vertikale Lüftungskanäle aufweisen. Diese Steine werden von Luft durchströmt. Beim Beladen wird 1.000 Grad heiße Luft von oben eingeleitet, die auf dem Weg nach unten ihre Energie an die Steine abgibt; beim Entladen wird von unten kühlere Luft eingeleitet, die nach oben strömt und dabei die Wärmeenergie aufnimmt. Im angrenzenden Gebäude sind die Heizung, die die Luft auf bis zu 1.000 Grad erwärmt, sowie Turbinen zur Stromerzeugung untergebracht.
Effizienz wird erforscht
Mit der Versuchsanlage erforscht das SIJ, unter welchen Bedingungen die Speicherung am effizientesten ist. Dies betrifft etwa die Durchströmungsgeschwindigkeit und Durchströmungsprofile innerhalb des Systems. Diese Parameter beeinflussen, wie viel Energie bei welcher Temperatur gespeichert und wieder abgerufen werden kann. Auch die Ausspeicherung und die Wärmenutzung werden unter unterschiedlichen Bedingungen und unter Berücksichtigung künftiger Marktanforderungen getestet. Neben einem Stirlingmotor, der im Hochtemperaturbereich bei etwa 950 Grad arbeitet, gibt es auch eine ORC-Anlage, bei der etwa 300 Grad ausreichen und die für Kraft-Wärmekopplung ausgelegt ist, also neben Strom auch Niedertemperaturwärme zur Verfügung stellt.
In Verbindung mit einem sehr hohen Wirkungsgrad können Multitess-Systeme in Zusammenhang mit erneuerbaren Energien nach Einschätzung der Jülicher Forscher einen relevanten Beitrag zur Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung leisten. Aufgrund der Verwendung existierender Standardkomponenten, die seit Jahrzehnten industriell verwendet werden, können Multitess-Systeme bei niedrigeren Temperaturen von etwa 750 Grad zum Beispiel für eine CO2-freie Prozesswärmeversorgung bereits heute in der Industrie eingesetzt werden. Künftig sollen die Prozesse auch bei höheren Temperaturen betrieben werden.
Enge Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft
Bei der Planung und dem Bau der Anlage haben Wirtschaft und Wissenschaft Hand in Hand gearbeitet. Die Hochtemperaturheizung wurde von der Otto Junker GmbH konzipiert und gebaut, die Dürr Systems AG hat den keramischen Wärmespeicher und die ORC-Anlage gebaut, die Kraftanlagen Energies und Services GmbH zeichnet sich für die Gesamtplanung verantwortlich.
Quelle: IWR Online
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