23.12.2022, 14:48 Uhr

Gaspreis-Crash auf breiter Front - Strompreise könnten deutlich sinken


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Münster – Der rasante Abwärtstrend bei den Gaspreisen an der Börse beschleunigt sich, allein heute (23.12.2022) geben die Preise für den Januar-Kontrakt 2023 bisher um über 10 Prozent weiter nach. Auch die nächsten Kontrakte zur Gaslieferung für die Monate Februar bis Juni 2023 können sich dem negativen Preistrend nicht entziehen.

Die Aussichten auf sinkende Gas- und Strompreise für die Verbraucher haben sich nach den jüngsten Preisrückgängen beim Gas deutlich verbessert. Wegen des Merit-Order-Prinzips, wonach die teuerste Energie (akt. Gaspreis) den gesamten Strompreis bestimmt, dürften in der Folge daher auch die Strompreise wieder deutlich sinken.

Gaspreis zur Lieferung für den Monat Januar 2023 fällt um über 10 Prozent auf 81,5 Euro/MWh

Die Gaspreise sind in Folge des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 auf die Ukraine zunächst bis Anfang März 2022 auf 350 Euro/MWh regelrecht explodiert. Nach einer anschließenden Phase der Marktberuhigung und einem Preisrückgang bis auf rd. 80 Euro/MWh Anfang Juni 2022 sorgte die erneute Eskalation durch die sukzessive Abschaltung der fünf Gasturbinen in der russischen Verdichterstation Portowaja am Ende für einen kompletten Lieferstopp über die Pipeline Nord Stream 1 und damit erneut für einen Rekordanstieg der Gaspreise bis auf über 350 Euro/MWh Anfang August 2022.

Doch auch dieser Preisanstieg war nicht von langer Dauer, Russlands Rechnung geht am Ende nicht auf. Mit dem zunehmenden Füllstand der Gasspeicher in den EU-Staaten, der erkennbaren Diversifizierung der Gas-Bezugsquellen, aber auch mit dem angekündigten Bau von LNG-Terminals in Deutschland, setzt erneut ein Preisrückgang beim Gas bis in die Nähe der 100 Euro-Marke ein. Anfang Dezember 2022 steigt der Gaspreis dann wegen der sich abzeichnenden Kältewelle in der Spitze zwar erneut auf 160 Euro/MWh an. Doch dann die rasante Trendwende: seit dem 09.12.2022 (158 Euro/MWh) hat sich der Gaspreis bis heute mit einem Tagestief von 81,5 Euro/MWh (23.12.2022) nahezu halbiert und erreicht das tiefste Niveau in diesem Jahr 2022.

Auch die Preise für die Gas-Lieferungen in den Monaten Februar (85,5), März (87,8), April (87,4) Mai (87,9) und Juni mit 88,7 Euro/MWh deuten darauf hin, dass die Marktteilnehmer derzeit keine Gasmangellage in diesem Winter befürchten.

Gründe für den Gas-Preisverfall - Gasspeicher in Deutschland füllen sich -

Die Gründe für den starken Preisverfall beim Gas sind vielschichtig. In Deutschland sind die schnelle Umstellung von Pipelinegas auf LNG-Gas, die vollen Gasspeicher zum Winterbeginn oder die hohe Gaseinsparung durch die Verbraucher von großer Bedeutung. Die schnelle Inbetriebnahme der LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Lubmin (Deutsche Regas) sorgt auf nahe Sicht schon jetzt für weitere Entspannung, die aktuell hohen Temperaturen führen derzeit zudem dazu, dass sich die Gasspeicher heute sogar füllen, d.h. es wurde mehr Gas in die deutschen Gasspeicher (87,31 Prozent Füllstand) eingespeichert als ausgespeichert. Auch die Wiederinbetriebnahme ausgefallener Atomkraftwerke in Frankreich senkt die Gasnachfrage in Frankreich selbst, aber auch in Spanien und Deutschland wegen des geringeren Stromexports der Nachbarländer nach Frankreich.

Massiver Ausfall französischer Atomkraftwerke führt 2022 zu höheren Strompreisen und mehr Strom aus Gas- und Kohlekraftwerken

Neben dem russischen Krieg gegen die Ukraine und dem Gaslieferstopp hat der ganzjährige massive Ausfall der französischen Atomkraftwerke in Verbindung mit den hohen Gaspreisen zusätzlich belastet und für die explodierenden Strompreise gesorgt. Zeitweise waren weniger als 20.000 MW Atomleistung (von 61.370 MW insgesamt) in Frankreich am Netz. Stand heute 23.12.2022 fehlen dem französischen Stromversorger EDF allein dadurch rd. 76 Milliarden kWh Atomstrom im laufenden Jahr 2022, der durch andere Kraftwerke und durch hohe Importe ersetzt werden musste. Nur die hohen Stromexporte aus Deutschland oder Spanien konnten die französische Energieversorgung auch in der Kälteperiode sichern und Frankreich vor einem Strom-Blackout schützen.

Mit der sukzessiven Rückkehr französischer Atomkraftwerke nach den Ausfällen reduziert sich aktuell der Bedarf an Ersatzkraftwerken auf Basis von Gas- oder Kohlekraftwerken in Frankreich und den Nachbarländern. Mit dem sinkenden Gasbedarf und der weiteren Rückkehr von französischen Atomkraftwerken wird erwartet, dass in der Folge auch die Strompreise in Deutschland wieder sinken. Vorausgesetzt, im nächsten Jahr fallen nicht erneut weitere Atomkraftwerke in Frankreich wieder aus.

Quelle: IWR Online

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