Koalitionsverhandlungen: Umweltinstitut München fordert Absage an blauen Wasserstoff
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München - In der Frage, welche Wasserstoffprojekte künftig durch eine neue Bundesregierung förderfähig sind, sieht das Umweltinstitut München ausgehend von den Wahlprogrammen von SPD, FDP und Grünen unter den potenziellen Koalitionären Diskussionsbedarf.
Während die Grünen auf Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen setzen, möchte die SPD „vorrangig“ regenerativen Wasserstoff nutzen. Die FDP hingegen sieht in der Förderung von blauem Wasserstoff aus Erdgas, bei dem das anfallende CO2 abgespalten und eingelagert wird, eine Übergangslösung. Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen beim Thema Wasserstoffwirtschaft warnt das Umweltinstitut aber davor, auf den aus Erdgas gewonnenen blauen Wasserstoff zu setzen.
US-Untersuchung bestätigt Klimaschädlichkeit von blauem Wasserstoff
In diesem Zusammenhang verweist das Umweltinstitut auf eine Analyse von Robert Howarth von der Cornell University und Mark Jacobson von der Stanford University. Darin haben die beiden Forscher die gesamten Treibhausgasemissionen von blauem Wasserstoff unter Berücksichtigung der Emissionen von Kohlendioxid und unverbranntem flüchtigem Methan analysiert.
Demnach sind die Treibhausgasemissionen bei der Herstellung von blauem Wasserstoff insbesondere aufgrund der Freisetzung von flüchtigem Methan höher als gedacht. Bei den Standardannahmen der Forscher (3,5 Prozent Methanemissionsrate aus Erdgas und ein 20-jähriges Treibhauspotenzial) sind die gesamten CO2-Emissionen für blauen Wasserstoff demnach nur 9 bis 12 Prozent niedriger als bei grauem Wasserstoff. Im Vergleich zur Verbrennung von Erdgas oder Kohle zu Heizzwecken ist der Treibhausgas-Fußabdruck von blauem Wasserstoff unter den Standardannahmen per saldo sogar um mehr als 20 Prozent größer sowie um etwa 60 Prozent größer als bei der Verbrennung von Diesel zu Heizzwecken. Selbst bei einer Sensitivitätsanalyse mit reduzierter Methanemissionsrate schneidet blauer Wasserstoff nach den Untersuchungen der beiden Wissenschaftler aus Gründen des Klimaschutzes gegenüber der reinen Verbrennung von Erdgas schlecht ab. Insgesamt kommen die Forscher daher zu der Einschätzung, dass der Einsatz von blauem Wasserstoff selbst unter den optimistischsten Annahmen aus Klimagründen nur schwer zu rechtfertigen ist.
Vor diesem Hintergrund fordert das Umweltinstitut München, dass die Ampel-Koalition Scheinlösungen eine Absage erteilt. „Die Studie zu CO2- und Methan-Emissionen des blauen Wasserstoffs ist ein Weckruf für alle, die immer noch vom Wasserstoff aus fossilen Rohstoffen träumen“, so Kasimir Buhr, Referent für Energiepolitik am Umweltinstitut München. Die Argumentation der FDP, dass sich die Industrie ohne blauen Wasserstoff weiter auf fossile Energieträger festlege, führe in die Irre. „Für die Energiewende helfen Investitionen in derartige Scheinlösungen nicht, sie zementieren vielmehr die Förderung des Klimakillers Erdgas für weitere Jahrzehnte“, so das Fazit von Buhr.
Wasserstoff-Farbenspiel: Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff
Durch die Verwendung von regenerativ erzeugtem Strom gilt nur „grüner“ Wasserstoff als klimaneutral. Bei der Herstellung des grünen Wasserstoffs wird z.B. durch die Elektrolyse Wasser (H2O) in die Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff O2 zerlegt. Es gibt eine ganze Palette von unterschiedlichen Elektrolyseverfahren, wie beispielsweise alkalische (AEL) oder saure (PEM) Elektrolyse. Am Ende dieser Produktion entsteht Wasserstoff durch Ökostrom ohne Einsatz von kohlenstoffhaltigen Einsatzstoffen und damit klimaneutral.
Beim „blauen“ Wasserstoff wird dieser wie beim „türkisen“ Wasserstoff aus fossilem Methan (CH4) erzeugt. Bei der Herstellung (ohne Berücksichtigung der vorgelagerten Kette) entweicht das vor Ort entstehende CO2 auch hier nicht in die Atmosphäre. Im Unterschied zum Herstellungsverfahren von „türkisem“ Wasserstoff, bei dem Kohlenstoff in fester Form abgeschieden und weiterverwendet wird, entsteht beim „blauen“ Wasserstoff neben dem H2 allerdings CO2, das per CCS (Carbon-Capture-and-Storage) entsorgt wird.
Unter den verschiedenen Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff ist der Ansatz zur Produktion von grauem Wasserstoff mit dem höchsten CO2-Ausstoß verbunden. Die Herstellung des „grauen“ Wasserstoffs in der Industrie erfolgt aus fossilen Kohlenwasserstoffen, meist Erdgas (Methan), mittels Dampfreforming. Bei diesem endothermen Verfahren (Wärmezuführung) reagiert das eingesetzte Methan mit dem Sauerstoff im Wasserdampf. Pro Tonne des so hergestellten Wasserstoffs werden etwa 9 bis 10 Tonnen CO2 in die Atmosphäre freigesetzt.
Quelle: IWR Online
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