Kraftwerkssicherheitsgesetz: Bundesregierung einigt sich auf Eckpunkte der Kraftwerksstrategie
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Berlin - Im Rahmen des Wachstumspakets für die Wirtschaft hat sich die Bundesregierung auch auf die Kraftwerksstrategie geeinigt. Diese setzt die im Februar 2024 mit den Koalitionsspitzen gefundene Vereinbarung um. Die Einigung ist auch mit den Dienststellen der Europäischen Kommission abgestimmt.
Nach der am 5. Februar 2024 erfolgten Verständigung der Bundesregierung auf die Eckpunkte hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) weitere Informationen zur Kraftwerksstrategie veröffentlicht. Im sogenannten Kraftwerkssicherheitsgesetz sollen Maßnahmen für neue gas- und rein wasserstoffbasierte Kraftwerke sowie Langzeitspeicher gebündelt werden. Maßnahmen zur Nutzung des großen Potenzials von flexiblen Biogasanlagen und Holzheizkraftwerken zur Bereitstellung gesicherter und regelbarer Leistung sind nicht Bestandteil der aktuellen Vereinbarung. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt die erzielte Einigung, warnt aber vor Knackpunkten. Das Hauptstadtbüro der Bioenergieverbände (HBB) kritisiert das Fehlen der Bioenergie.
Ausschreibung von 12.500 MW Kraftwerkskapazität und 500 MW Langzeitspeicher in zwei Phasen
Im Vorgriff auf einen umfassenden Kapazitätsmechanismus sollen im Rahmen der Kraftwerksstrategie insgesamt 12.500 MW (12,5 GW) an Kraftwerkskapazität ausgeschrieben werden. Hinzu kommen Langzeitspeicher mit einer Leistung von 500 MW für den saisonalen Ausgleich von Erzeugungs- und Nachfrageschwankungen. Diese Speicherung soll insbesondere über die Umwandlung von Strom in Energieträger wie Wasserstoff und anschließende Rückverstromung erfolgen, so das BMWK auf Nachfrage von IWR-Online. Die Umsetzung soll im Rahmen des Kraftwerkssicherheitsgesetzes in zwei Säulen erfolgen.
In einer ersten Säule sollen zeitnah 5.000 MW (5 GW) an neuen H2-ready-Gaskraftwerken und 2.000 MW (2 GW) an umfassenden H2-ready-Modernisierungen ausgeschrieben werden, die als Beitrag zur schnellen Dekarbonisierung des Kraftwerksparks ab dem 8. Jahr ihrer Inbetriebnahme / Modernisierung auf den Betrieb auf grünen oder blauen Wasserstoff gemäß Nationaler Wasserstoffstrategie umstellen müssen. Hinzu kommen 500 MW an reinen Wasserstoffkraftwerken, die sofort mit Wasserstoff laufen (Wasserstoffsprinter) und 500 MW Langzeitspeicher. Bei den Kraftwerken werden Investitionskosten und ab dem Umstieg auf Wasserstoff für 800 Vollbenutzungsstunden im Jahr die Differenzkosten zwischen Wasserstoff und Erdgas gefördert.
In einer zweiten Säule werden noch einmal 5.000 MW (5 GW) neue Gaskraftwerke ausgeschrieben, die insbesondere in Dunkelflauten einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten sollen. Diese sollen eine „Brücke“ in einen umfassenden, technologieoffenen Kapazitätsmechanismus darstellen, der ab 2028 operativ sein soll.
Die Kraftwerke sollen jeweils überwiegend im nicht näher konkretisierten „netztechnischen Süden“ Deutschlands zugebaut werden, um Redispatchkosten zu senken und zur Netzstabilität beizutragen.
„Die Einigung mit der Europäischen Kommission auf die Eckpunkte eines Kraftwerkssicherheitsgesetzes ist ein wichtiger Schritt. Nachdem wir Schwung in den Erneuerbaren-Ausbau und den Netzausbau, sowohl beim Stromnetz als auch beim Wasserstoffnetz gebracht haben, bringt uns das Kraftwerkssicherheitsgesetz jetzt 3-mal Schwung im Kraftwerksbereich. Erstens wird die Dekarbonisierung im Kraftwerkspark beschleunigt, weil wir für einen Teil der Kraftwerke einen konkreten Wasserstoffumstiegspfad vereinbart haben, zweitens wird die Entwicklung neuer Wasserstoff-Kraftwerkstechnologie gefördert, und drittens wird der Kohleausstieg durch den Zubau neuer Kraftwerke abgesichert“, so der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck über die Einigung zur Kraftwerksstrategie.
Ziel: Umfassender Kapazitätsmechanismus soll 2028 operativ sein
Die nächsten Schritte sind 6-wöchige Konsultationen zu den beiden Säulen des Kraftwerkssicherheitsgesetzes. Auf dieser Basis wird eine finale beihilferechtliche Genehmigung des Kraftwerkssicherheitsgesetzes erfolgen. Die erste Ausschreibung ist für Ende 2024 / Anfang 2025 geplant.
Parallel will das BMWK zeitnah ein Papier mit den Optionen für die Ausgestaltungsvarianten des Kapazitätsmechanismus und deren zentralen Vor- und Nachteilen vorlegen. Dies soll im Rahmen der Plattform Klimaneutrales Stromsystem konsultiert werden. Die Bundesregierung will auf dieser Basis eine Entscheidung treffen und dann den entsprechenden Kapazitätsmechanismus ausarbeiten und mit der europäischen Kommission besprechen. Der umfassende Kapazitätsmechanismus soll 2028 operativ sein.
BDEW: Gesetz entscheidender Baustein für klimaneutrale Energieversorgung
„Der Zubau neuer flexibel einsetzbarer Kraftwerke ist Voraussetzung für den Kohleausstieg. Mit wasserstofffähigen Gaskraftwerken, Wasserstoffkraftwerken und Langzeitspeichern stützt das Gesetz außerdem die wichtige Nachfrage von Wasserstoff und unterstützt so die Planungssicherheit für das Wasserstoffkernnetz“, begrüßt die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Kerstin Andreae die Einigung.
Das Gesetz muss aus Sicht des BDEW nun zügig mit einem konkreten Gesetzestextentwurf in die Konsultation, das parlamentarische Verfahren und die konkrete Umsetzung kommen. Hier muss Entschlossenheit mit Sorgfalt Hand in Hand gehen. Die Details der Ausschreibungen müssen so ausgestaltet sein, dass die Kraftwerke schnellstmöglich gebaut werden können. Dafür brauchen die Unternehmen Investitionssicherheit, so der BDEW.
Mit Blick auf die zweite Ausschreibungsrund, in der 5 GW Gaskraftwerke vorgesehen sind, kritisiert der BDEW, dass nach den vorliegenden Informationen im Ausschreibungsdesign offensichtlich keine Umrüstung auf Wasserstoff vorgesehen ist. Um auch nach 2045 diese Kraftwerke betreiben zu können, seien Umrüstungen aber erforderlich. Entscheidend werde daher die konkrete Ausgestaltung der Ausschreibungen sein, damit in beiden 5 GW-Scheiben der Zubau auch erfolgt. Zur Sicherung der Netz- und Systemstabilität sei zudem auch die Formulierung, dass der „überwiegende Zubau im netztechnischen Süden” Deutschlands erfolgen solle, im Detail zu klären, so der BDEW.
Aus Sicht des BDEW muss auch die Rolle der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Rahmen des Kraftwerkssicherheitsgesetzes bedacht werden. Die KWK leiste ebenso einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit sowie zur Absicherung der Wärmewende, so der BDEW weiter.
Bioenergieverbände: Kraftwerksstrategie muss Bioenergie einschließen
Dass mit der Kraftwerksstrategie in großem Umfang der Bau fossiler Kraftwerke geplant ist, das Potenzial der Bioenergie aber außen vor bleibt, stößt auf Kritik des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB).
„Während die Bundesregierung 5 Gigawatt an reinen Erdgaskraftwerken plant, die nicht für einen Umstieg auf klimaneutrale Brennstoffe vorgesehen sind, werden gleichzeitig mehrere Gigawatt grüner Kraftwerksleistung der Bioenergie aufgrund des Ausschreibungsdesigns des EEG 2023 aufs Spiel gesetzt. Das ergibt keinen Sinn, weder aus volkswirtschaftlicher noch aus klimapolitischer Sicht. Anstatt fossile Planspiele anzustellen, sollte die Bundesregierung lieber dafür sorgen, dass das Erdgas dort bleibt, wo es ist und stattdessen Bioenergieanlagen die systemdienliche Rolle im Stromsystem übernehmen können“, so die Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie Sandra Rostek.
Bis 2030 könnte allein der bestehende Biogasanlagenpark laut einer Strommartkdesignstudie des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut bis zu 12 GW Kraftwerksleistung ohne zusätzlichen Biomasseinput bereitstellen, so Rostek weiter.
Quelle: IWR Online
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