24.03.2014, 10:16 Uhr

Netzausbau: Siemens geht von weniger neuen Stromleitungen aus

München – Siemens geht davon aus, dass es beim Netzausbau in Deutschland weniger neue Stromleitungen geben wird als angenommen. Zumindest erklärte das Siemens-Vorstand Michael Süß im Rahmen eines Management Kolloquiums in München.

Zu der Einschätzung, dass der in Deutschland geplante Ausbau des Stromnetzes über das Ziel hinausschießt, sind auch bereits Wissenschaftler und Umwelt-Verbände gekommen. Süß hat neben dem überdimensionierten Stromnetz-Ausbau weitere Aspekte der deutschen Energiepolitik kritisiert. Dies berichtete die Börsen-Zeitung in der vergangenen Woche.

Süß: Nicht so viele neue Leitungen wie einige glauben

Nach Einschätzung des für das Thema Energie zuständigen Siemens-Vorstands Süß werde es nicht so viele Leitungen geben wie einige glauben. Vor allem seien aber auch Investitionen in das Niedrigspannungsnetz notwendig. Zudem habe Süß eine zu einseitige Förderung der Solarenergie kritisiert. Auch Baywa-Chef Josef Lutz habe sich auf dem Kolloquium in München zum Thema Energiewende geäußert. Er glaube nicht, dass die Bundesregierung sich in Sachen Energie schnell einigen werde und glaubt, dass heimlich bereits eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke in Erwägung gezogen werde.

Greenpeace-Studie: Stromleitungen durch dezentrale Wind- und Solaranlagen sparen

Auch Greenpeace hat sich mit dem Thema Netzausbau beschäftigt. Die Umweltorganisation hat eine Studie vorgestellt, nach der ein Ausbau des regenerativen Stromanteils auf bis zu 77 Prozent im Jahr 2030 mit weit geringeren Investitionen in den europäischen Netzausbau möglich wäre. Weil in diesem Szenario viele kleine Wind- und Solaranlagen statt wenigen großen Kraftwerken den Strom erzeugen, spare sich Europa mehrere tausend Kilometer an Stromleitungen, heißt es in der Untersuchung von Greenpeace in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Energynautics. Die Versorgungssicherheit wäre im genannten Ausbauszenario gewährlistet. „In Deutschland brauchen wir bei einem hohen Erneuerbaren-Anteil zum Beispiel keine Starkstromtrasse mehr, die Braunkohlestrom aus Sachsen-Anhalt nach Bayern transportiert“, so Sven Teske, Energieexperte bei Greenpeace.

Wissenschaftler finden Netzausbaupläne in Deutschland überzogen

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon, dass in Deutschland auch zukünftig keine Engpässe bei der Stromübertragung zu befürchten sind. Der DIW-Forschungsdirektor Christian von Hirschhausen sagt dazu: "Ein gewisser Umbau ist zwar für den steigenden Anteil der erneuerbaren Energien notwendig. Methodische Mängel bei der Erstellung des Netzentwicklungsplans führen jedoch zu einer Überschätzung des Ausbaubedarfs.“ Für das DIW ist zudem die Tasache bemerkenswert, dass die Einspeisepunkte von zwei der in nächster Zukunft geplanten Stromautobahnen ausgerechnet an traditionellen Standorten der Kohlewirtschaft beginnen.

Ähnlich sieht es Professor Lorenz Jarass, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Nach seiner Einschätzung habe man sich beim Netzausbau vorgenommen, jede erzeugte Kilowattstunde gesichert ins Netz einspeisen zu können. Es sei aber unsinnig, einmalige Windspitzen in Norddeutschland nach Süddeutschland übertragen zu wollen, so Jarass.

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