27.11.2014, 11:52 Uhr

Nur Gewinner im Bundesländer-Vergleich zu erneuerbaren Energien?

Berlin/Stuttgart – Die neue Bundesländerstudie zu erneuerbaren Energien ist fertig und sorgt umgehend für Verwirrung. Es geht darum, wer denn nun in Sachen regenerative Energien deutschlandweit führend ist. Die Studienautoren geben die Gewinner unterschiedlich an. Zudem reklamiert ein weiteres Bundesland die Führungsposition für sich.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) aus Stuttgart haben die Studie mit dem Titel „Vergleich der Bundesländer: Analyse der Erfolgsfaktoren für den Ausbau der Erneuerbaren Energien 2014“ im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) auf über 230 Seiten erstellt. Es ist die vierte Studie dieser Reihe, die alle zwei Jahre seit 2008 veröffentlicht wird.

Welches Bundesland ist denn nun führend?

Doch in der Darstellung der Ergebnisse waren sich DIW und ZSW offenbar nicht ganz einig. Während beim ZSW (aus Baden-Württemberg) in der Überschrift zu lesen ist, dass die „Südländer führend bei Energiewende“ sind, titelt das DIW: „Bayern, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern bei erneuerbaren Energien führend“. Doch damit nicht genug: Das Umweltministerium des Landes Schleswig-Holstein erklärt hinsichtlich der Ergebnisse dieser Untersuchung: „Studie sieht Schleswig-Holsteins Politik für Erneuerbare Energien vorn“. Das sorgt für Verwirrung, auch wenn am Ende irgendwie alle Recht haben. Es kommt nur auf die Perspektive und die Bewertungskategorie an.

Gesamtranking: Bayern vor Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern

Das Ranking besteht aus 60 Einzelindikatoren, die zu vier Gruppen zusammengefasst werden. Da wären einmal die "Nutzung von erneuerbaren Energien" sowie der "technologische und wirtschaftliche Wandel". Für diese beiden Teilbereiche werden jeweils für den Input (Anstrengungen) und den Output (Erfolge) Indikatoren berücksichtigt.

Beim Blick auf das Gesamtranking bleibt jedoch festzuhalten: Bayern steht vor Baden-Württemberg auf Rang eins. An dritter Stelle positioniert sich Mecklenburg-Vorpommern, Rang vier geht an Thüringen. Brandenburg, im Ländervergleich des Jahres 2012 noch auf Rang eins, rutscht auf Rang fünf zurück. NRW landet als bevölkerungsreichstes Bundesland auf Rang 14. Dahinter positionieren sich nur noch das Saarland (15. Platz) und der Stadtstaat Berlin (16. Und damit letzter Platz).

Untersuchungs-Vielfalt: 60 Indikatoren lassen viele Bundesländer irgendwo glänzen

„Schleswig-Holstein gehört demnach zu den Spitzenreitern mit seiner Energiewendepolitik“, sagte Umweltminister Robert Habeck (Grüne). Schaut man ins Gesamtranking, ist Schleswig-Holstein jedoch lediglich auf Platz sechs gelandet. Das zeigt die knifflige Lage der Studie mit ihren vielen Unterpunkten. Dabei schneidet (fast) jeder einmal gut ab. IWR Online hat sich das einmal näher angeschaut.

Nutzung erneuerbarer Energien: Baden-Württemberg auf Rang eins

Baden Württemberg zum Beispiel weist die höchsten Anstrengungen (Input) bei der Nutzung von erneuerbaren Energien auf, gefolgt von Thüringen und Mecklenburg Vorpommern. Schlusslicht ist dabei, wie in vielen anderen Kategorien auch, das Land Berlin. Baden-Württemberg zeichnet sich laut Studie insbesondere durch seine energiepolitische Programmatik, Ziele für erneuerbare Energien und Vorgaben im Wärmebereich aus.

Die größten Erfolge (Output) konnte jedoch der Freistaat Bayern vorweisen. Mit deutlichem Vorsprung landet Bayern hier vor allem durch seine Erfolge bei Photovoltaikanlagen, Solarkollektoren, Wärmepumpen und der Bioenergie auf Platz eins. Den letzten Platz belegt hier auch wieder Berlin hinter Hamburg und Nordrhein-Westfalen.

In der zusammengefassten ersten Kategorie "Nutzung von erneuerbaren Energien" (Input und Output) liegt Baden-Württemberg knapp vor Bayern auf Platz eins. Thüringen landet an dritter Stelle. Klares Schlusslicht hier ist Berlin.

Technologischer und wirtschaftlicher Wandel: Mecklenburg-Vorpommern vorne

Bei den Anstrengungen (Input) für den Bereich "technologischer und wirtschaftlicher Wandel liegt Niedersachsen weit vorne auf Platz eins, noch vor Bremen und Sachsen auf den folgenden Rängen. Brandenburg ist im Vergleich zur Vorgänger-Studie von Platz eins auf den vierten Platz gerutscht. Schlusslicht hier ist das Saarland noch hinter Hessen und Rheinland-Pfalz.

Die größten Erfolge (Output) konnte in dieser Kategorie das Land Mecklenburg-Vorpommern vorweisen. Sachsen-Anhalt und Hamburg landen hier auf den Plätzen zwei und drei. An letzter Stelle rangiert hier Nordrhein-Westfalen, noch hinter Berlin und Hessen.

Zusammengefasst (Input und Output) konnte Mecklenburg-Vorpommern im Bereich "technologischer und wirtschaftlicher Wandel" die meisten Punkte sammeln und landet hier auf Platz eins vor Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die letzten Plätze belegen hier Hessen, das Saarland und Berlin.

Verlierer: Brandenburg verzeichnet größten Rückschritt

Das Gesamtranking, also die Wertung unter Einbeziehung aller vier Gruppen führt knapp der Freistaat Bayern an. „In Bayern ist der Ausbau erneuerbarer Energien insgesamt am weitesten fortgeschritten, obwohl die Windenergie dort noch relativ wenig genutzt wird“, sagt Jochen Diekmann, stellvertretender Leiter der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin und Koordinator der Studie. Knapp dahinter liegen Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. „Baden-Württemberg zeichnet sich durch vorbildliche energiepolitische Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien aus, während Mecklenburg-Vorpommern die größten technologie- und wirtschaftspolitischen Erfolge verbuchen kann“. Die Gegenüberstellung alter und neuer Bundesländer entschieden die neuen Länder für sich.

Im Vergleich zum Gesamtranking der letzten Studie im Jahr 2012 musste Brandenburg den größten Rückschlag erleiden. Im Jahr 2012 noch Vorreiter auf Platz eins ist das Bundesland jetzt auf den fünften Platz abgerutscht. Bayern machte einen Platz gut und wurde vom Vize zum Tabellenführer.

Indikatoren-Picking: Trotz schlechtem Ranking bei einigen Indikatoren führend

Trotz schlechter Platzierungen im Gesamtranking führen einige Bundesländer wichtige Einzelindikatoren an, das betont auch Philipp Vohrer: „Über dem Gesamtranking sollte nicht vergessen werden: Bei vielen der insgesamt 60 Einzelindikatoren der Studie sind auch einzelne Länder, die im Schnitt nicht ganz so weit vorne abschneiden, durchaus führend.“ Im Bereich Vorbildfunktion des Landes (u.a. Ökostrom, EE-Anlagen) liegt zum Beispiel Berlin mit einem Wert von 4,8 (Skala von 0-5) an erster Stelle. Bei den Landesenergieagenturen liegt Nordrhein-Westfalen ganz vorne. Die beste Bewertung bei Elektroladestationen für Kraftfahrzeuge erhielt der Stadtstaat Bremen. Die meisten Patentanmeldungen verbuchte Hamburg für sich.

Autoren: Bundesländer spielen eine wichtige Rolle

Die Bundesländer sollten sich in ihren Energieprogrammen ambitionierte Ziele setzen, die mit regionalen Potenzialen und bundesweiten Zielen abgestimmt sind, fordern die Studienautoren. Insbesondere bei der Raumplanung und dem Baurecht hätten die Länder Handlungsspielräume. „Die Bundesländer spielen bei der Energiewende eine wichtige Rolle“, so Diekmann. „Letztlich bestimmen sie über die zur Verfügung stehenden Flächen für erneuerbare Energien und die Bedingungen, unter denen Anlagen gebaut werden dürfen.“ Sie sollten sich außerdem für die zunehmend wichtiger werdende Systemintegration von Wind- und Solarstrom einsetzen. Zudem sollten sie Forschung und Bildung sowie die Ansiedlung von Unternehmen unterstützen. Dies bietet nicht zuletzt auch die Gelegenheit, die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende für sich zu nutzen.

Quelle: IWR Online
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